Dark one 03 - Kuesst du noch oder beisst du schon- neu-ok
Kidnapper weiß, wie man eine Frau
stilvoll kidnappt! Er wird mich nicht in ein schmutziges, von Ratten befallenes
Loch schleppen, mich aushungern und nach Sonnenuntergang endlose Kilometer zu
Fuß gehen lassen. Er wird mich mit seinem Sportwagen abholen, mit bequemen
beheizten Ledersitzen und einem Picknickkorb voller Leckereien. In einem schicken
roten Sportwagen!“
Adrian schob
den Unterkiefer vor und sagte keinen Ton.
„In einem
Cabrio!“
„Um Gottes
willen, Frau, was willst du von mir?“, platzte es unvermittelt aus ihm heraus
und seine Augen funkelten vor Zorn in einem dunklen Nachtblau. „Ich habe dich
gefragt, ob ich dich tragen soll, aber du hast gesagt, lieber würdest du
sterben!“
„Ja, aber
das habe ich doch nicht wörtlich gemeint! Tod durch Blasen an den Füßen, das
ist doch wirklich ein unwürdiger Abgang.“ Ich rieb mir die Arme, um die
Durchblutung anzuregen, und zuckte schmerzerfüllt zusammen, als ich erneut über
einen Stein stolperte.
„Du hast
keinen Respekt vor mir, nicht wahr?“, fragte er und warf mir einen verärgerten
Blick zu. „Du hast keine Ahnung, wie mächtig und gefährlich ich bin. Meine
eigenen Leute fürchten und hassen mich, und von denen, die mich vernichten
wollen, werde ich gejagt wie ein Tier, aber du hast nicht die geringste Achtung
vor mir, oder? Du solltest starr vor Angst sein, aber stattdessen beschwerst du
dich in einem fort!“
„Na ja, vor
deinen Vampirzähnen habe ich schon ein bisschen Respekt“, entgegnete ich, damit
er sich besser fühlte, obwohl ich wirklich nicht wusste, warum mich seine
verletzten Gefühle überhaupt kümmerten. „Stören sie dich eigentlich nicht? Wenn
du in der Öffentlichkeit bist, musst du doch immer die Lippen zusammenhalten
und nuscheln, damit die Leute sie nicht sehen. Und bleibst du nicht manchmal
mit den Lippen daran hängen? Als Jugendliche habe ich eine Klammer gehabt und
mir immer übel die Lippen eingerissen. Ich würde dir ja meinen Labello
anbieten, aber meine Handtasche ist leider in der Bibliothek geblieben, als du
mich entführt hast. Ich hoffe, der echte Christian gibt sie mir wieder. Da sind
mein Geld und mein Pass drin.“
„Dunkle
benutzen keinen Labello“, erwiderte er aufgebracht.
Ich zuckte
mit den Schultern und vergnügte mich ein paar Minuten damit zu versuchen, mit
meinem Atem, der weiß in der kalten Luft hing, eine Fledermaus zu formen.
„Nein“,
sagte Adrian, bevor ich fragen konnte. „Ich kann mich nicht in eine Fledermaus
verwandeln!“
Ich blieb
mitten auf der Straße im trüben Licht des Mondes stehen, der passenderweise
zwischen höchst dramatisch aussehenden Wolkenfetzen hervorschaute. „Du sollst
aufhören, meine Gedanken zu lesen!“
Meine Füße
schmerzten höllisch, doch er packte mich am Handgelenk und zog mich weiter. „Ich
kann gar nicht anders. Du projizierst sie.“
„Nein!“,
fuhr ich auf. „Das tue ich gar nicht! Ich projiziere grundsätzlich nicht!“
„Tust du
doch! Du errichtest überhaupt keine Barrieren zum Schutz deiner Gedanken. Ich
muss einfach nur...“ Ich verspürte ein Gefühl der Wärme, das bis in mein
Bewusstsein vordrang. Ich sog überrascht die kalte Nachtluft ein, als ich
merkte, wie seine Gedanken mit meinen verschmolzen. Es war der intimste
Kontakt, den ich je erlebt hatte, weitaus intimer als eine bloß körperliche
Vereinigung.
Ich wurde
von einer männlicher Selbstzufriedenheit erfüllt.
„Hör auf
damit!“, sagte ich und verjagte ihn aus meinem Geist. „Es ist nicht besonders
höflich, in jemandes Kopf herumzuspazieren, ohne dass derjenige es weiß!“
„Du weißt es
doch“, knurrte er. „Du musst es wissen. Und du weißt auch, dass du meine
Gedanken genauso leicht lesen kannst wie ich deine.“
„Wie kommst
du denn darauf?“ Ich sah die große, dunkle Gestalt an meiner Seite erstaunt an.
„Ich konnte noch nie besonders gut die Meinungen anderer Leute einschätzen,
geschweige denn Gedanken lesen.“
„Du kannst
es, weil ich dich gefunden habe“, entgegnete er unwirsch. „Das ist der erste
Schritt des Vereinigungsrituals.“
„Wie bitte?
Vereinigungsritual? Was soll das denn sein? Ich weiß ja, du bist der böse
Wolf...“
„Der
Verräter“, unterbrach er mich. „Ich bin der Verräter. Meine eigenen Leute
hassen und...“
„Fürchten
dich und du wirst gejagt wie ein Hund und so weiter und so fort. Ja, ich weiß, das
hast du mir gesagt. Aber du hast mir nichts angetan, obwohl du Gelegenheit dazu
hattest.
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