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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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Hintergedanken mit einem. Seit ich ihre absurden Tagebucheinträge gefunden hatte, erinnerte ich mich wieder ziemlich lebhaft daran. Wenn man kein Geld hat, sind Gerüchte ein ziemlich gutes Druckmittel. Sogar innerhalb der eigenen Familie.
    »Ben redet ganz oft mit sich selbst«, verkündete Michelle eines Morgens beim Frühstück, worauf Ben über den Tisch langte, so dass ihr der Teller auf den Schoß rutschte, und sie am Kragen packte.
    »Lass mich verdammt nochmal in Frieden«, schrie er. Dann beruhigte ihn meine Mutter wieder ein bisschen, schickte ihn auf sein Zimmer und hielt uns wie immer eine Moralpredigt. Später fanden wir noch kleine Stückchen Ei, die auf den Plastikkronleuchter gespritzt waren, der aussah, als gehörte er in eine Pizzeria.
    Was hatte das zu bedeuten? Ben hätte doch seine Familie nicht umgebracht, nur weil seine Schwester herausgefunden hatte, dass er eine Freundin hatte!
    Ich fuhr an einer Weide vorbei, auf der reglose Kühe standen, und dachte daran, wie ich aufgewachsen war, dachte an all die Gerüchte über verstümmelte Kühe, die Leute hatten damals geschworen, dass Teufelsanbeter am Werk gewesen seien. Der Teufel lauerte ganz in der Nähe in unserer kleinen Stadt, das Böse war so normal und greifbar wie die Natur selbst. In unserer Kirche hatte man sich nicht allzu sehr mit den Einzelheiten der Hölle befasst, aber der Priester hatte der Idee an sich auch nicht widersprochen: Der schlitzäugige, blutrünstige Teufel konnte genauso leicht von unserem Herzen Besitz ergreifen wie Jesus, wenn wir nicht aufpassten. In jeder Stadt, in der ich lebte, gab es »Teufelskids« und »Teufelshäuser«, genau wie auch immer ein Mörderclown in einem weißen Lieferwagen durch die Gegend geisterte. Jeder kannte irgendein altes leerstehendes Lagerhaus am Stadtrand, wo eine fleckige Matratze auf dem Boden lag, besudelt mit dem Blut einer Opferzeremonie. Jeder hatte einen Freund oder einen Verwandten, der schon einmal ein Opfer gesehen hatte, aber zu verängstigt war, um Einzelheiten davon preiszugeben.
    Zehn Minuten hinter der Grenze zu Oklahoma – ich hatte noch gut drei Stunden vor mir – stieg mir ein durchdringend süßlicher, verdorbener Geruch in die Nase. Meine Augen begannen zu brennen und zu tränen. Kurz spürte ich die absurde Angst, dass ich durch meine Teufelsgedanken das Biest persönlich herbeigerufen hatte, aber dann sah ich in der Ferne, wo der unruhige Himmel die Farbe einer fiesen Prellung angenommen hatte, den wahren Grund des Gestanks. Die Papierfabrik.
    Ich stellte das Radio auf Sendersuchlauf – Sender  1 , Sender  2 , Sender  3 , unangenehmer, dröhnender Lärm, statisches Rauschen, Autowerbung, noch mehr Rauschen –, also stellte ich das Gerät gleich wieder aus.
    Kurz nach dem Cowboy-Schild –
Willkommen in Lidgerwood, Oklahoma, Partner!
 – nahm ich die Abfahrt in die Stadt, die sich als heruntergekommene Touristenfalle entpuppte. Früher einmal hatte man sich hier offensichtlich als Wildwestszenerie gestylt: überall auf der Hauptstraße Milchglas und Saloon-Imitate. In einem Laden, der sich
The Olde Photo Shoppe
nannte, konnten Familien sich in alter Tracht ablichten lassen, natürlich in altertümelndem Sepia. Im Fenster hing zur Veranschaulichung ein Poster: der Vater mit Lasso und einem Hut, der ihm zu groß war, unter dem er aber bemüht bedrohlich hervorschielte, ein kleines Mädchen in Baumwollkleid und Häubchen, zu jung, um zu kapieren, worum es ging, die Mutter als Hure aufgemacht, mit einem unbehaglichen Lächeln, die Arme sittsam über den Schenkeln gekreuzt, um den Schlitz des Petticoats im Zaum zu halten. Neben dem Foto hing ein Schild »Zu verkaufen«. Ein ähnliches Schild hing nebenan bei
Daphne’s Daffy Taffy
und auch in
Buffalo Bill’s Amazing Arcade
und einem Laden mit dem lächerlichen Namen
Wyatt Earp’s Slurpies
. Alles machte einen verstaubten Eindruck. Sogar die Spiralkurven der Wasserrutsche in der Ferne waren verdreckt.
    Bert Nolan’s Group Home for Men lag nur drei Blocks von der Hauptgeschäftsstraße entfernt, ein quadratisches, niedriges Gebäude mit einem winzigen Vorgarten, in dem Borstenhirse wucherte. Als Kind hatte ich Borstenhirse immer gern gemocht, weil ihr Aussehen zu ihrem Namen passte, und das gefiel meinem Gehirn, das die Dinge gern wörtlich nahm: ein langer, dünner Stamm mit Borsten obendrauf. Das Zeug wuchs überall auf unserer Farm – ganze Felder wurden der Borstenhirse überlassen. Michelle, Debby

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