Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
zurücksprang. Runner kickte sie wieder auf, knallte sie erneut gegen die Wand und stieß sie mit aller Kraft wieder zu, ein paar Mal hintereinander.
Dann verschwand er, und sie hörten, wie sich sein Auto mit quietschenden Reifen entfernte. Aber nun holte Patty das Gewehr, lud es und legte es zusammen mit ein paar Ersatzpatronen auf den Kaminsims. Nur für den Fall des Falles.
Libby Day
Jetzt
A m Ende übernachtete Krissi bei mir auf der Couch. Als ich sie zur Tür begleitete, merkte ich, dass es gefährlich gewesen wäre, sie fahren zu lassen, sie eierte herum und konnte sich kaum auf den Beinen halten, eine Wange war über und über mit Mascara beschmiert. Auf der Veranda drehte sie sich unvermittelt um und fragte nach ihrer Mutter, ob ich wüsste, wo sie sei oder wie man sie finden könnte, und an diesem Punkt zog ich sie zurück ins Haus, schmierte ihr ein Velveta-Sandwich, bugsierte sie aufs Sofa und deckte sie zu. Bevor sie einschlief, legte sie das letzte Viertel des Sandwiches sorgfältig neben sich auf den Boden, und drei von meinen Lotionsfläschchen plumpsten aus ihrer Jacke. Nachdem sie fest eingeschlafen war, stopfte ich sie zurück.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie weg, die Decke lag zusammengefaltet auf dem Sofa, obendrauf ein Zettel, auf dem stand:
Danke. Tut mir leid
.
Vorausgesetzt, man konnte Krissi glauben, hatte Lou Cates meine Familie nicht umgebracht. Und ich glaubte ihr. In diesem Punkt zumindest.
Ich beschloss, Runner zu besuchen und die beiden Nachrichten von Lyle ebenso zu ignorieren wie die nicht vorhandene Nachricht von Diane. Ich würde zu Runner fahren und ihm ein paar Würmer aus der Nase ziehen. Ich glaubte nicht, dass er mit den Morden etwas zu tun hatte, ganz egal, was seine Freundin meinte, aber ich wollte in Erfahrung bringen, ob er etwas wusste, mit seinen ganzen Geldproblemen und der Sauferei und seinen Gossenfreunden. Ob er etwas gesehen oder gehört hatte oder ob seine Schulden tatsächlich einen extrem hässlichen Racheakt ausgelöst hatten. Vielleicht konnte ich dann wieder an Ben glauben, denn das war es, was ich wollte. Jetzt wusste ich, warum ich ihn bisher nie besucht hatte. Es war zu verlockend, zu leicht, die Gefängnismauern zu vergessen und einfach nur meinen Bruder zu sehen, den spezifischen Ben-Tonfall zu hören, der am Schluss von jedem Satz nach unten sackte, als würde er danach möglicherweise nie wieder etwas sagen. Wenn ich ihn sah, erinnerte ich mich an Dinge, an nette und nicht so nette Dinge. An ganz normale Dinge. Es war wie ein Lufthauch von zu Hause. Von ganz früher, als alle noch am Leben waren. Mann, wie ich mich danach sehnte.
Auf dem Weg aus der Stadt hielt ich am 7 -Eleven, kaufte eine Landkarte und Cracker mit Käsegeschmack. Als ich hineinbiss, merkte ich, dass es Diätcracker waren, aber ich aß sie trotzdem, während ich nach Süden fuhr und sich das orangefarbene Käsepulver in meinem Auto verteilte. Ich hätte auf dem Weg nach Oklahoma anhalten und etwas essen sollen. Auf dem Highway war die Luft geschwängert von verführerischen Gerüchen: Pommes, Fastfood-Fisch, Brathähnchen. Aber ich befand mich in einem unnatürlichen Panikzustand, ich war ohne guten Grund voller Sorge, dass ich Runner verpassen könnte, wenn ich anhielt, und deshalb aß ich die Diätcracker und einen mehligen Apfel, den ich in einer Ecke meines Küchenschranks gefunden hatte.
Warum lag das Briefchen, dieses schmutzige Briefchen, das nicht an Ben adressiert war, in einer Schachtel mit Michelles Krimskrams? Wenn Michelle herausgefunden hatte, dass Ben eine Freundin hatte, hätte sie ihn nach ihrer Pfeife tanzen lassen, umso mehr, wenn er versucht hätte, die Sache geheim zu halten. Ben hasste Michelle. Mich tolerierte er, Debby blendete er aus, aber Michelle hasste er auch tatkräftig. Ich erinnerte mich, wie er sie einmal am Arm aus seinem Zimmer gezerrt hatte, ihr ganzer Körper war zur Seite verdreht, und in dem Bemühen, Schritt zu halten und nicht über den Boden geschleift zu werden, trippelte sie auf Zehenspitzen neben ihm her. Er warf sie hinaus, und sie fiel gegen die Wand, und er schrie sie an, wenn sie jemals wieder in sein Zimmer ginge, würde er sie umbringen. Wenn er mit ihr redete, bleckte er immer die Zähne. Er brüllte sie an, weil sie ihm ständig nachspionierte – Tag und Nacht trieb sie sich vor seiner Tür herum und lauschte. Michelle wusste immer über die Geheimnisse anderer Menschen Bescheid, und sie redete nie ohne
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