Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
Zitrusduft, blumige Hautlotion und … war das vielleicht Insektenspray? Sie trug eine weitausgeschnittene Bluse und enge Jeans, dazu den billigen Modeschmuck eines Teenagers. Offensichtlich gehörte sie zu den Frauen mittleren Alters, die glauben, sie könnten ihren Mitmenschen etwas vormachen.
Ich folgte ihr und fühlte mich ohne die zusätzlichen Zentimeter meiner Stiefelabsätze mehr denn je wie ein Kind. Diondra wandte mir das Profil zu, musterte mich aus dem Augenwinkel, und unter ihrer Oberlippe lugte ein kleiner spitzer Eckzahn hervor.
Dann legte sie den Kopf schief und sagte: »Komm, setz dich. Himmel, du bist eindeutig eine Day, was? Die feuerroten Haare, die hab ich immer geliebt.«
Kaum hatten wir uns hingesetzt, kamen auf kurzen dicken Beinchen und mit Halsbändern, die wie Schlittenglöckchen bimmelten, drei Pudel angelaufen und ließen sich auf Diondras Schoß nieder. Mich machten die Tiere nervös.
»Ach du Scheiße, du bist
eindeutig
eine Day«, kicherte sie. »Ben war mit den Hunden auch immer so hibbelig. Natürlich waren die, die ich früher hatte, viel größer als die kleinen Babys hier.« Sie ließ sich von den Pudeln die Finger ablecken, und die rosa Hundezungen flitzten eifrig rein und raus. »Also,
Libby
«, begann Diondra dann, als wäre mein Name, meine ganze Existenz ein Insider-Witz. »Hat Ben dir verraten, wo du mich finden kannst? Sag die Wahrheit.«
»Trey Teepano hat etwas gesagt, was mich auf die richtige Fährte gebracht hat.«
»Trey? Herrje. Wie bist du denn an Trey Teepano geraten?«
»Er hat ein Futtermittelgeschäft und steht in den gelben Seiten.«
»Ein Futtermittelgeschäft. Hätte ich nicht gedacht. Wie sieht er denn aus?«
Ich nickte heftig – er sah gut aus –, ehe ich mich zügelte und sagte: »Du warst in der Nacht damals mit Ben zusammen.«
»Mmmmm-hmmm. Stimmt.« Sie studierte mein Gesicht, skeptisch, aber interessiert.
»Ich möchte wissen, was damals passiert ist.«
»Warum?«, fragte sie.
»Warum?«
»Sorry, Miss Libby, das kommt alles so plötzlich. Hat Ben etwas zu dir gesagt? Ich meine, warum kommst du ausgerechnet jetzt zu mir? Warum jetzt?«
»Ich muss wissen, was damals passiert ist.«
»Ach Libby.« Sie sah mich mitfühlend an. »Für Ben ist es in Ordnung, die Strafe abzusitzen für das, was in der Nacht damals passiert ist. Er möchte es so. Lass ihn.«
»Hat er meine Familie umgebracht?«
»Bist du deshalb hier?«
»Hat Ben meine Familie umgebracht?«
Aber sie lächelte mich nur an, mit starren Schamlippen-Lippen.
»Ich möchte endlich ein bisschen Frieden finden, Diondra. Bitte. Sag es mir einfach.«
»Also geht es dir um Frieden, Libby? Du glaubst, wenn du weißt, was damals los war, findest du Frieden? Als würde es dich heilen oder was immer, wenn du es weißt? Du glaubst wirklich, nach allem, was passiert ist, gibt es für dich noch so etwas wie Frieden, Schätzchen? Wie wäre es, wenn du aufhörst, dich zu fragen, was passiert ist, und es stattdessen einfach akzeptierst? Gib mir die Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann – kennst du das Gelassenheitsgebet der Suchtkranken? Mir hat das sehr geholfen.«
»Sag es mir, Diondra, sag es mir einfach. Dann versuche ich, es zu akzeptieren.«
Draußen ging die Sonne unter und schickte ihre letzten Strahlen, so grell, dass ich blinzeln musste. Diondra beugte sich zu mir und nahm meine Hände.
»Libby, es tut mir so leid. Ich weiß es nicht. Ich war in der Nacht mit Ben unterwegs. Wir wollten die Stadt verlassen. Ich erwartete ein Baby von ihm. Wir hatten vor wegzulaufen, er wollte nur noch mal schnell nach Hause und Geld holen. Ich hab gewartet, eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Vermutlich hat er schlicht die Nerven verloren. Schließlich hab ich mich in den Schlaf geweint. Am nächsten Morgen hab ich dann gehört, was passiert war. Zuerst dachte ich, er wäre auch tot, aber dann hab ich erfahren, dass man ihn verhaftet hatte und dass die Polizei dachte, er gehörte zu irgendeinem Hexenzirkel – zu einem Satanisten-Clan, einer Art Manson-Familie, nach der sie fahndeten. Ich hab darauf gewartet, dass sie auch zu mir kommen würden, aber nichts dergleichen. Die Tage vergingen, und ich hab gehört, dass Ben angeblich kein Alibi hatte. Meinen Namen hat er kein einziges Mal erwähnt. Er hat mich beschützt.«
»Die ganzen Jahre.«
»Die ganzen Jahre, jawohl. Die Cops waren nie zufrieden, dass es nur Ben allein gewesen sein sollte. Die wollten
Weitere Kostenlose Bücher