Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
mehr. Hätte wohl besser ausgesehen. Aber Ben hat nie etwas gesagt. Er ist ein verdammter Held. Mein Held.«
»Also weiß niemand genau, was in dieser Nacht wirklich geschehen ist, und ich werde es nie herausfinden, niemals.« Als ich es laut aussprach, fühlte ich mich irgendwie erleichtert. Vielleicht konnte ich ja jetzt loslassen. Wenn es sowieso keine Möglichkeit für mich gab, jemals die Wahrheit zu erfahren, konnte ich vielleicht loslassen.
»Ich glaube wirklich, dass du Frieden finden kannst, wenn du das akzeptierst. Ich meine, Libby, ich glaube nicht, dass Ben es getan hat. Ich glaube, er deckt euren Daddy. Das ist meine Meinung. Aber wer weiß? Ich sag es ungern, aber was immer in dieser Nacht geschehen ist, Ben musste ins Gefängnis. Das sagt er selbst. Er hatte etwas in sich, was nicht in die Welt draußen passte. Eine Gewaltbereitschaft. Im Gefängnis geht es ihm viel besser. Er ist da sehr beliebt, schreibt sich mit diesen ganzen Frauen, und die sind ganz verrückt nach ihm. Er kriegt im Jahr Dutzende von Heiratsanträgen. Von Zeit zu Zeit denkt er, dass er vielleicht draußen besser dran wäre. Aber das stimmt nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Wir sind miteinander in Kontakt«, blaffte sie, lächelte dann aber gleich wieder zuckersüß. Das gelb-orangefarbene Licht des Sonnenuntergangs fiel über ihr Kinn, und plötzlich lagen ihre Augen im Dunkeln.
»Wo ist das Baby, Diondra? Mit dem du damals schwanger warst?«
»Ich bin hier«, antwortete das Day-Mädchen.
Ben Day
3 . Januar 1985
1 Uhr 11
B en öffnete die Tür zum dunklen Wohnzimmer und dachte nur: zu Hause, endlich. Wie ein heldenhafter Matrose, der nach Monaten auf hoher See heimkehrt. Um ein Haar hätte er Diondra ausgesperrt – mich kriegst du nicht –, aber dann ließ er sie doch herein. Weil er Angst hatte, wie sie reagieren würde, wenn er es nicht tat. Gut, dass sie wenigstens Trey nicht mehr dabeihatten. Er wollte nicht, dass Trey durch sein Zuhause marschierte und seine klugscheißerischen Bemerkungen über Sachen machte, von denen Ben selbst wusste, dass sie peinlich waren.
Alle schliefen, das ganze Haus ein kollektives Ein- und Ausatmen. Am liebsten hätte Ben seine Mom geweckt, er wünschte sich, sie würde um die Ecke kommen, mit schlaftrunkenen Augen, in einem ihrer Klamottenkokons. Dann würde sie ihn fragen, wo in aller Welt er denn gewesen sei,
was in aller Welt in ihn gefahren sei
.
Der Teufel. Der Teufel ist in mich gefahren, Mom.
Eigentlich wollte er auch Diondra nicht bei sich haben, aber sie war dicht hinter ihm, und er konnte ihren Zorn fast körperlich spüren, wie Hitze. Mit weitaufgerissenen Augen trieb sie ihn an –
los, beeil dich, beeil dich
–, also begann er, möglichst leise die Schränke zu durchsuchen, die Stellen, wo seine Mom oft Geld versteckte. Im ersten Schrank fand er eine alte Schachtel Weizenflocken, machte sie auf und schluckte, so viel er konnte, von dem trockenen Zeug, das an seinen Lippen klebte und ihm im Hals stecken blieb. Er musste husten, aber zum Glück nur ein bisschen, ein Babyhusten. Dann steckte er die ganze Hand in die Packung und stopfte sich den Mund voll, öffnete den Kühlschrank, entdeckte eine Tupperdose mit Erbsen und Möhren – ein bisschen Butter obendrauf –, grub mit einem Löffel hinein, legte die Lippen an den Plastikrand des Behälters und schaufelte sich alles in den Mund. Erbsen rollten über seine Brust und landeten auf dem Boden.
»Komm endlich!«, zischte Diondra. Ben trug immer noch ihre lila Sweatsachen, sie dagegen eine hübsche neue Jeans, einen roten Pullover und die schwarzen Männerschuhe, die sie so mochte. Sie hatte sehr große Füße, aber darüber durfte man nicht sprechen. Jetzt klopfte sie ungeduldig mit der Schuhspitze auf den Boden. Beeil dich, beeil dich.
»Gehen wir in mein Zimmer«, sagte Ben. »Da hab ich ein bisschen Geld. Und ein Geschenk für dich.« Sofort hellte sich Diondras Stimmung auf – sogar jetzt, wo sie sich vor lauter Drogen und Alkohol kaum auf den Beinen halten, geschweige denn konzentrieren konnte, lenkten Geschenke sie ab.
Das Schloss an seiner Zimmertür war weg, und Ben wurde sauer. Dann bekam er Angst. Mom oder die Polizei? Nicht, dass es etwas Belastendes zu finden gab. Aber trotzdem. Er öffnete die Tür, knipste das Licht an, Diondra schloss die Tür hinter ihnen und machte es sich auf dem Bett bequem. Sie redete ohne Punkt und Komma, aber er hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. Erst als sie
Weitere Kostenlose Bücher