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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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in der Grundschule hatten wir sie einmal besucht, ein enger, kalter Ort, an dem bei einem Überfall Jesses Halbbruder getötet worden war, und ich weiß noch, dass ich damals dachte: »Es sieht aus wie unser Haus.« Immer weiter fuhr ich auf einer schmalen, kurvigen Straße, Hügel hinauf und Hügel hinunter und schließlich wieder aufs Land hinaus, wo staubige Schindelhäuser auf großen, flachen Grundstücken standen und in jedem Hof mindestens ein Kettenhund bellte. Kein Mensch war zu sehen, die Gegend machte einen total verlassenen Eindruck. Nur Hunde und ein paar Pferde und weiter weg die Überreste eines einst üppigen Waldes, die man zwischen den Wohnhäusern und dem Highway hatte stehen lassen.
    Etwa zehn Minuten darauf sah ich Diondras Haus. Es war hässlich und neigte sich zur Seite wie eine genervte Frau, die sich in die Hüfte wirft. Abgesehen von der Schieflage hatte es nicht viel Positives vorzuweisen. Es war ein Stück von der Straße zurückgesetzt und sah aus wie ein Pächterquartier neben einem größeren Farmhaus, das es aber nicht gab – nur ein paar Hektar Schlamm zu allen Seiten, höckrig und uneben, als hätte der Boden Pickel. Ein Stück entfernt war auch von hier aus der traurige Rest des Waldes zu sehen.
    Ich fuhr den langen Feldweg entlang, der zum Haus führte, machte mir Sorgen, dass mein Auto womöglich stecken bleiben könnte, und überlegte, was ich dann machen sollte.
    Als ich die Autotür zuschlug und mit einem flauen Gefühl im Magen auf das Haus zumarschierte, kam die Sonne hinter den Gewitterwolken hervor, gerade rechtzeitig, um mich zu blenden. Als ich mich der Treppe näherte, schoss ein großes Mutter-Opossum unter der Veranda hervor und zischte mich an. Mit seinem spitzen weißen Gesicht schaute es mich aus schwarzen Augen an, als sollte ich längst tot sein, was mich vollends verunsicherte. Opossum-Mütter sind bekanntlich fiese Zeitgenossen. Das Tier rannte ins Gebüsch, und ich trat vorsichtshalber gegen die Stufen, um mich zu vergewissern, dass nicht noch mehr ungebetene Gäste zum Vorschein kamen, ehe ich hinaufstieg. Mein lädierter rechter Fuß rutschte in meinem Stiefel herum. Neben der Tür hing ein Traumfänger, geschnitzte Tierzähne und Federn baumelten davon herab.
    Genauso, wie der Regen die Betongerüche einer Großstadt zum Vorschein bringt, hatte er hier den Mistgestank herbeigerufen. Es roch nach zu Hause, was mir ganz und gar nicht gefiel.
    Eine lange Pause folgte meinem Klopfen, dann näherten sich leise Schritte. Diondra öffnete die Tür, unzweifelhaft lebendig. Sie sah nicht viel anders aus als auf den Fotos, die ich mir angeschaut hatte. Zwar hatte sie die Dauerwelle inzwischen abgeschafft, trug die Haare aber immer noch in lockeren dunklen Wellen, und ihr dicker schwarzer Lidstrich ließ ihre Augen osterhimmelblau strahlen. Die Mascara war in mehreren Schichten aufgetragen, spinnenhaft, und hatte schwarze Flecken auf den Tränensäcken unter den Augen hinterlassen. Ihre Lippen erinnerten mich an Schamlippen. Überhaupt bestanden ihr Gesicht und ihr ganzer Körper aus sanften Kurven: runde rosa Wangen, leichte Hängebäckchen, aus dem BH quellende Brüste, ein kleiner speckiger Hautring über dem Bund der Jeans.
    »Oh«, sagte sie, als sie die Tür öffnete und mir ein Schwall Wärme entgegenschlug. »Libby?«
    »Ja.«
    Sie nahm mein Gesicht in beide Hände. »Heilige Scheiße, Libby. Ich wusste doch, dass du mich eines Tages finden würdest. Kluges Mädchen.« Sie umarmte mich und hielt mich dann ein Stück von sich weg. »Hi. Komm rein.«
    Ich betrat eine Küche mit einem kleinen Nebenraum, und die Einrichtung erinnerte mich mehr an mein eigenes verlorenes Zuhause, als mir lieb war. Dann durchquerten wir eine kleine Diele. Rechts stand eine Kellertür offen, kalte Luft strömte herauf. Ziemlich nachlässig. Wir traten in ein niedriges Wohnzimmer. Von einem Aschenbecher, der auf dem Boden stand, stieg Zigarettenrauch auf, die Wände waren gelblich, das Mobiliar wirkte abgenutzt. An einer Wand stand ein mächtiger Fernseher, so groß wie ein Zweisitzersofa.
    »Kannst du bitte deine Schuhe ausziehen, Schätzchen?«, sagte Diondra mit einer Handbewegung zum Teppich, der verklebt und fleckig aussah. Das ganze Haus war schräg, schmutzig, fertig mit der Welt. Neben der Treppe lag ein kleiner Hundehaufen, an dem Diondra geschickt vorbeitrippelte.
    Sie führte mich zum Sofa, und mir schlugen mindestens drei verschiedene Duftwolken entgegen: Haarfestiger mit

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