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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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verdrehte die Augen.
    »Aber was ist mit dem großen Fußabdruck?«, fragte ein Typ von hinten. »Die Polizei hat nie eine Erklärung dafür abgegeben, warum man eine Blutspur von einem Anzugschuh gefunden hat, in einem Haus, in dem garantiert keiner schicke Männerschuhe anhatte …«
    »Die Polizei hat sowieso nicht viel erklärt«, schaltete der alte Mann sich wieder ein.
    »Zum Beispiel auch den umstrittenen Blutfleck«, ergänzte Lyle und wandte sich mir zu. »Auf Michelles Bettlaken war Blut von einer Blutgruppe, die keiner aus der Familie hatte. Leider waren die Laken von Goodwill, einem Secondhandladen, deshalb hat die Anklage behauptet, das Blut könnte von irgendwem stammen.«
    Laken, neuwertig, in »gepflegtem Zustand«, ja. Die Days waren große Fans von Goodwill: Sofa, Fernseher, Lampen, Jeans, sogar unsere Vorhänge stammten von dort.
    »Wissen Sie, wo man Runner finden könnte, Libby?«, fragte der Jüngere. »Und würden Sie ihm in unserem Namen ein paar Fragen stellen?«
    »Und ich bin auch der Meinung, es würde sich lohnen, ein paar von Bens Freunden aus der damaligen Zeit zu befragen. Haben Sie noch irgendwelche Kontakte in Kinnakee?«, fragte der Alte.
    Nun begannen ein paar Leute, über Runners Spielsucht und Bens Freunde und die schlechte Polizeiarbeit zu streiten.
    »Hey«, ging ich dazwischen. »Was ist mit Ben? Habt ihr den als Schuldigen einfach aussortiert?«
    »Also bitte, das ist der größte Justizirrtum überhaupt«, sagte die dicke Frau. »Und tun Sie jetzt nicht so, als wären Sie anderer Meinung. Es sei denn, Sie wollen Ihren Daddy schützen. Oder Sie schämen sich einfach zu sehr für das, was Sie damals gemacht haben.«
    Ich warf ihr wütende Blicke zu. In ihren Haaren klebte ein Klumpen Eigelb.
Wer isst denn um Mitternacht Eier?,
dachte ich.
Oder klebte der Glibber etwa schon seit heute Morgen dort?
    »Magda engagiert sich sehr in diesem Fall und verficht leidenschaftlich die Entlassung Ihres Bruders«, sagte der Alte mit betulicher Miene.
    »Ben ist ein wundervoller Mann«, sagte Magda und streckte mir ihr Kinn entgegen. »Er schreibt Gedichte und komponiert. Mit seinem ganzen Wesen verkörpert er die Macht der Hoffnung. Sie sollten ihn kennenlernen, Libby, wirklich.«
    Magda fuhr mit den Fingernägeln über die Ordner, die vor ihr lagen – einer für jedes Mitglied der Familie Day. Der dickste Ordner war mit Fotos von meinem Bruder geschmückt: Ben, jung und rothaarig, mit ernstem Gesicht, einen Spielzeugbomber in der Hand. Ben schwarzhaarig und verängstigt auf dem Polizeifoto nach seiner Verhaftung. Ben heute, im Gefängnis, wieder rothaarig, intellektuell angehaucht, mit halboffenem Mund, als hätte man ihn mitten im Satz abgelichtet. Daneben Debbys Ordner, mit nur einem einzigen Foto, als Zigeunerin verkleidet an Halloween: rote Wangen, rote Lippen, die braunen Haare unter dem roten Kopftuch meiner Mom, eine Hüfte eingeknickt, die andere herausgestreckt, in dem Versuch, sexy auszusehen. Rechts konnte man meinen sommersprossigen Arm erkennen, den ich nach ihr ausstreckte. Ein Familienfoto. Ich hatte gedacht, es wäre nie veröffentlicht worden.
    »Woher haben Sie dieses Foto?«, fragte ich.
    »Weiß ich nicht mehr«, antwortete sie ausweichend und bedeckte den Ordner rasch mit ihrer dicken Hand.
    Ich sah auf den Tisch hinunter und kämpfte mit dem Drang, mich auf sie zu stürzen. Inzwischen war auch das Foto von Debbys Leiche wieder aus dem Ordner des Alten gerutscht. Ich sah das blutige Bein, den aufgeschlitzten Bauch, den fast abgetrennten Arm, beugte mich blitzschnell über den Tisch und packte den Mann am Handgelenk.
    »Packen Sie den Scheiß weg«, knurrte ich. Hastig schob er das Foto wieder in den Ordner zurück, hielt ihn dann wie einen Schild vor sich und blinzelte mich an.
    Jetzt starrte die ganze Gruppe mich an, neugierig, ein bisschen besorgt, als wäre ich ein Streichelkaninchen, das sich gerade als potentiell von Tollwut befallen entpuppt hatte.
    »Libby«, sagte Lyle im beschwichtigenden Ton eines Showmasters. »Niemand zweifelt daran, dass du im Haus warst. Niemand bezweifelt, dass du als Kind ein grausames Trauma erlebt hast, das kein Kind jemals erleben sollte. Aber hast du die Morde wirklich mit deinen eigenen Augen gesehen, wie du es behauptet hast? Oder könnte es sein, dass man dir die Worte in den Mund gelegt hat?«
    Ich stellte mir Debby vor, wie sie mit flinken Wurstfingern durch meine Haare fuhr und sie im Fishbone-Stil zu der Frisur flocht, die

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