Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
besonders darauf achten, dass wir alle auf derselben Wellenlänge sind.«
Da es darauf, abgesehen von einem leisen Gegrummel, keinen Widerspruch gab, leckte der Alte sich die Lippen, schielte über seine Brillengläser und schob mit einem Räuspern ein wenig Halsschleim zurecht. Er strahlte Autorität aus, war aber irgendwie unangenehm. Ich stellte ihn mir alleine zu Hause vor, wie er an der Küchentheke saß, Dosenpfirsiche aß und mit dem Sirup schmatzte. Langsam begann er aus seinen Notizen vorzulesen.
»Fakt: Gegen zwei Uhr morgens am 3 . Januar 1985 töteten eine oder mehrere Personen drei Mitglieder der Familie Day in ihrem Farmhaus in Kinnakee, Kansas. Die Verstorbenen waren Michelle Day, zehn Jahre, Debby Day, neun Jahre, und Patty Day, die Mutter der Familie, zweiunddreißig. Michelle Day wurde erwürgt, Debby Day mit einer Axt erschlagen und Patty Day erlitt zwei Schusswunden, mehrere Axtwunden und tiefe Einstichwunden von einem Bowie-Jagdmesser.«
Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen und sagte mir, dass das für mich nichts Neues war. Kein Grund, in Panik auszubrechen. Wenn die Details der Morde aufgezählt wurden, hörte ich nie richtig zu. Ich ließ die Worte einfach zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus, wie ein verängstigter Krebspatient, der die Fachausdrücke hört und weiter nichts kapiert, außer dass es sehr schlecht um ihn steht.
»Fakt«, fuhr der Mann unterdessen fort. »Das jüngste Kind, Libby Day, sieben Jahre alt, war zur Tatzeit ebenfalls im Haus und entkam dem Mörder oder den Mördern durch ein Fenster im Zimmer ihrer Mutter.
Fakt: Der älteste Sohn der Familie, Benjamin Day, fünfzehn Jahre, behauptet, in der Nacht nach einem Streit mit seiner Mutter in der Scheune eines Nachbarn übernachtet zu haben. Ein anderes Alibi hat er nie vorgebracht, und sein Verhalten der Polizei gegenüber war extrem unkooperativ. Er wurde später verhaftet und verurteilt, hauptsächlich aufgrund von Gerüchten im Dorf, die behaupteten, er hätte sich einem Satanskult angeschlossen – die Hauswände waren mit dem Blut seiner Mutter beschmiert, in Symbolen und Wörtern, die sich mit der Satanistenszene assoziieren lassen.«
Der Alte machte eine Kunstpause, blickte in die Runde und kehrte dann wieder zu seinen Notizen zurück.
»Belastender war allerdings, dass Bens einzige überlebende Schwester Libby aussagte, dass sie
gesehen
hatte, wie er die Morde verübte. Obwohl Libby noch so jung und ihre Aussage sehr wirr war, wurde Ben Day verurteilt. Dabei gab es so gut wie keine stichhaltigen Beweise. Wir sind heute hier zusammengekommen, um andere Möglichkeiten zu erforschen und über die Besonderheiten des Falls zu diskutieren. Ich denke, wir sind uns insoweit einig, dass die Morde auf die Ereignisse des 2 . Januar 1985 zurückgeführt werden können. An diesem Tag ging bei den Days alles schief, was schiefgehen konnte.« Gemurmel, schuldbewusste Blicke in meine Richtung. »Als die Familie morgens aufstand, war alles noch normal. Aber an diesem Tag lief etwas gründlich schief.«
Aus dem Ordner des Alten war ein Tatortfoto ein Stück herausgerutscht: ein rundliches, blutiges Bein und ein Zipfel von einem lavendelblauen Nachthemd. Debby. Als der Mann meinen Blick bemerkte, schob er das Foto schnell zurück, als wollte er es vor mir schützen.
»Ich denke, allgemeiner Konsens ist, dass Runner Day es getan hat«, sagte die dicke Frau, fing an, in ihrer Handtasche zu wühlen, und mehrere zusammengeknüllte Papiertaschentücher fielen zu Boden. Beim Namen meines Vaters zuckte ich zusammen. Runner Day. Dieser jämmerliche Armleuchter.
»Stimmt doch, oder?«, fuhr die Dicke fort. »Er geht zu Patty, versucht ihr wie üblich mit allen möglichen Drohungen Geld abzuschwatzen, kriegt keines, wird sauer, dreht durch. Ich meine, der Mann war verrückt, oder nicht?«
Endlich hatte sie gefunden, was sie suchte, zog eine Packung Aspirin aus der Tasche und schluckte zwei davon, auf die Art, wie es Leute in Filmen tun, indem sie mit einem Ruck den Kopf in den Nacken warf. Dann sah sie mich an und wartete auf meine Zustimmung.
»Ja, ich glaube schon, dass er verrückt war. Aber ich erinnere mich nicht besonders gut an ihn. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich, hmm, als ich ungefähr zwei war. Danach hatten wir kaum Kontakt zu meinem Vater. Später hat er noch mal eine Weile bei uns gewohnt, in jenem Sommer vor den Morden.«
»Wo ist er jetzt?«
»Das weiß ich nicht.«
Die Frau
Weitere Kostenlose Bücher