Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
also wirklich, dass Ben der Täter ist?!)
Ich musste in der Lage sein zu argumentieren und dagegenzuhalten, statt dazusitzen wie eine Ignorantin, der nichts Gescheites zu sagen einfiel. Obwohl ich im Grunde tatsächlich eine war.
Also überflog ich das Buch noch ein bisschen weiter, auf dem Rücken liegend, ein doppelt gefaltetes Kissen unter den Kopf geklemmt, von Bucks Katzenaugen bewacht, die sorgfältig überprüften, ob ich nicht vielleicht doch bald Anstalten machte, mich in die Küche zu begeben. Barb Eichel beschrieb Ben als »ganz in Schwarz gekleideten Einzelgänger, unbeliebt und voller Wut« und »besessen von der brutalsten Form des Heavy Metal – genannt Black Metal –, von Songs also, die angeblich nichts anderes sind als verschlüsselte Teufelsbeschwörungen«. Natürlich blätterte ich gespannt weiter, bis ich endlich etwas über mich entdeckte: »engelhaft, aber stark«, »entschlossen und tieftraurig«, mit einer »unabhängigen Ausstrahlung, die man normalerweise nicht mal bei Kindern antrifft, die doppelt so alt sind«. Unsere Familie sei »glücklich« gewesen, »es war immer etwas los, und vor ihnen lag eine Zukunft in frischer, sauberer Luft, eine naturverbundene Lebensführung«. So so. Hier hielt ich die maßgebliche Veröffentlichung über die Morde an meiner Familie in Händen, und nachdem ich mir im Kill Club hatte anhören müssen, dass ich eine Idiotin sei, brannte ich natürlich darauf, mit jemandem zu sprechen, der Ben ebenfalls für schuldig hielt. Um Munition gegen Lyle zu sammeln. Ich stellte mir vor, wie ich die Fakten an den Fingern aufzählte:
das, das und das beweist, dass ihr Esel euch allesamt irrt
, und wie Lyles überhebliches Lächeln langsam verlosch, je mehr die Erkenntnis einsetzte, dass ich recht hatte.
Sein Geld würde ich natürlich trotzdem nehmen.
Unsicher, wo ich beginnen sollte, wählte ich die Auskunft in Topeka, und man gab mir sofort Barb Eichels Nummer. Was für ein wunderschönes Erfolgserlebnis! Sie wohnte immer noch in Topeka und hatte keine Geheimnummer.
Beim zweiten Klingeln hob sie ab, und ihre Stimme klang fröhlich und schrill, bis ich ihr sagte, wer ich war.
»Oh, Libby. Ich hab mich immer gefragt, ob Sie irgendwann mal Kontakt mit mir aufnehmen werden«, meinte sie nach einem ausgedehnten Kehllaut, der klang wie
eehhhhh
. »Oder ob ich mich bei Ihnen melden sollte. Ich wusste es nicht, ich wusste es einfach nicht …« Ich stellte mir vor, wie sie sich in ihrem Zimmer umsah, an den Nägeln zupfte, hypernervös, eine von den Frauen, die zwanzig Minuten die Speisekarte studierten und trotzdem panisch wurden, wenn der Kellner kam.
»Ich habe gehofft, ich könnte mit Ihnen sprechen, über … über Ben«, begann ich und wusste nicht recht, wie ich mein Anliegen formulieren sollte.
»Ich weiß, ich weiß, ich habe ihm im Lauf der Jahre mehrere Briefe geschrieben, Libby. Keine Ahnung, wie oft ich mich inzwischen für dieses verdammte Buch entschuldigt habe.«
Damit hatte ich nicht gerechnet.
Barb Eichel lud mich zum Lunch ein. Sie wollte mir alles persönlich erklären. Da sie nicht mehr Auto fuhr (hier spürte ich einen Hauch der wirklichen Geschichte – Medikamente. Sie hatte die glänzend-glatte Oberfläche eines Menschen, der zu viele Pillen schluckt), erklärte ich mich also bereit, zu ihr zu kommen, und sie war mir unendlich dankbar. Zum Glück liegt Topeka nicht weit von Kansas City entfernt. Nicht, dass ich etwa scharf darauf gewesen wäre hinzufahren – ich war früher oft genug in Topeka gewesen. Damals war die Stadt vor allem wegen der riesigen Psychiatrischen Klinik bekannt gewesen, und am Highway stand sogar ein Schild mit der Aufschrift: »Willkommen in Topeka, Welthauptstadt der Psychiatrie!« Allen Ernstes. Es wimmelte dort von Verrückten und von Therapeuten, und ich wurde regelmäßig zu meinen ambulanten Therapiestunden hingekarrt. Jippie. In der Therapie sprachen wir über meine Albträume, meine Panikattacken, meine Probleme mit meiner Wut. Als ich in die Pubertät kam, ging es mehr und mehr um meine aggressiven Tendenzen. Meiner Meinung nach riecht die ganze Stadt, Hauptstadt von Kansas, nach Irrenhaus-Sabber.
Bevor ich zu Barb fuhr, las ich ihr Buch und wappnete mich mit Fakten und Fragen. Aber in den drei Stunden, die ich für die normalerweise fünfundvierzigminütige Fahrt brauchte, erlitt mein Selbstbewusstsein einen herben Rückschlag. Ich bog viel zu oft falsch ab, verfluchte mich, weil ich zu Hause
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