Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
kein Internet hatte und mir die Route nicht einfach hatte runterladen können. Kein Internet, kein Kabel. Bei diesem ganzen organisatorischen Alltagskram bin ich nicht besonders gut, egal ob es sich um Haarschnitte, Ölwechsel oder Zahnarztbesuche handelt. Die ersten drei Monate in meinem Häuschen verbrachte ich in Decken gehüllt, weil ich mich nicht dazu bringen konnte, das Gas anstellen zu lassen. Dreimal ist es in den letzten Jahren abgestellt worden, weil ich mich nicht aufraffen konnte, einen Scheck zu schreiben. Ich habe einfach Probleme, mich um so was zu kümmern.
Barbs Haus war langweilig gemütlich, ein anständiger Gipskasten, den sie hellgrün gestrichen hatte. Irgendwie beruhigend. Jede Menge Windspiele. Als sie die Tür öffnete, wich sie zurück, als hätte ich sie überrascht. Sie hatte noch genau den gleichen Haarschnitt wie auf dem Autorenfoto, nur etwas grauer, und sie trug eine Brille an einer Perlenkette, von der Art, die ältere Damen gern als »flippig« bezeichneten.
»Ohhhhh, hi Libby!«, japste sie, und eh ich mich versah, hatte sie mich auch schon in die Arme geschlossen, und einer ihrer Knochen stach mir schmerzhaft in die linke Brust. Sie roch nach Patchouli und Wolle. »Kommen Sie rein, kommen Sie rein.« Ein kleiner Wuschelhund tappte über den Fliesenboden auf mich zu und bellte fröhlich. Eine Uhr schlug die Stunde.
»Hoffentlich mögen Sie Hunde, er ist ein Schätzchen«, rief sie und sah zu, wie er mich ansprang. Da ich Hunde, auch kleine, süße, aus tiefstem Herzen verabscheue, streckte ich die Hände in die Luft, um ihn aktiv
nicht
zu streicheln. »Na komm, Weenie, lass unsere Freundin durch«, säuselte Barb das Tier an, als wäre es ein Menschenbaby. Jetzt, wo ich seinen Namen kannte, mochte ich den Hund noch weniger.
Barb führte mich ins Wohnzimmer, das wie ausgestopft wirkte: Stühle, Sofa, Teppich, Kissen, Vorhänge, alles war mollig und rund und mit einer Extraschicht Stoff bezogen. Barb wuselte eine Weile raus und rein, unterhielt sich über die Schulter mit mir, statt sich hinzusetzen, und fragte mich zweimal, was ich trinken wollte. Irgendwie ahnte ich, dass sie mir einen nach Erde riechenden, alternativ-esoterischen Tonbecher mit Beebleberry Root Tee oder Jasmine Elixir Smoothie kredenzen würde, also bat ich lieber gleich um ein Glas Wasser. Verstohlen sah ich mich nach Alkoholflaschen um, konnte aber nichts dergleichen entdecken. Doch ich war sicher, dass sie ordentlich Pillen schluckte. Alles prallte an dieser Frau ab – pling-pling! –, als wäre sie mit Lack überzogen.
Sie brachte ein Tablett mit Sandwichs, die sie im Wohnzimmer servierte. Mein Wasser bestand größtenteils aus Eiswürfeln. In zwei Schlucken war ich fertig.
»Also, wie geht es Ben, Libby?«, fragte sie, als sie sich endlich setzte. Allerdings behielt sie das Tablett direkt neben sich. Griffbereit für einen eiligen Rückzug.
»Ach, ich weiß nicht. Ich habe keinen Kontakt zu ihm.«
Sie schien mir nicht wirklich zuzuhören, wahrscheinlich weil sie ihren inneren Radiosender eingestellt hatte. Auf leichten Jazz vermutlich.
»Ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen wegen dem, was ich zu der Geschichte beigetragen habe, Libby, auch wenn das Buch erst nach Bens Verurteilung erschienen ist und so keinen Einfluss darauf haben konnte«, sprudelte sie los. »Trotzdem habe ich mich der hastigen Urteilsfindung einfach angeschlossen. Es war die
Zeit
damals. Sie waren ja noch zu jung, Libby, ich weiß, Sie erinnern sich nicht mehr daran, aber so waren die Achtziger. Man sprach von der Satanspanik.«
»Wer sprach davon?« Ich fragte mich, wie oft sie noch im Gespräch meinen Namen sagen würde. Sie kam mir vor wie einer dieser Menschen, die einen dauernd persönlich ansprechen.
»Die ganze Psychoszene, die Polizei, die Anwälte, die ganze Bande – damals hielt man jeden gleich für einen Teufelsanbeter, es war … es war einfach der Trend.« Sie knetete nervös ihre Hände und beugte sich noch näher zu mir. »Die Leute glaubten an ein weitverzweigtes Netzwerk von Satanisten, das war in aller Munde. Wenn ein Teenager sich merkwürdig benahm, wurde er sofort als Satanist abgestempelt. Wenn ein Vorschulkind mit einem komischen blauen Fleck oder einer ungewöhnlichen Bemerkung über sein Geschlecht heimkam, war jedem klar, dass seine Betreuer dem Teufel huldigten. Ich meine, erinnern Sie sich an den Prozess gegen die McMartins? Jahrelang quälte man die Vorschullehrer, bis die Anklage
Weitere Kostenlose Bücher