Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
endlich fallengelassen wurde. Satanische Panik. Es war eine gute Story, Libby. Ich bin drauf reingefallen. Wir haben sie nicht genügend hinterfragt.«
Der Hund beschnüffelte mich, was mich tierisch aufregte, und ich hoffte, Barb würde ihn endlich zurückpfeifen. Aber sie merkte nichts davon und starrte die Sonnenblume aus Tiffanyglas an, die am Fenster über mir hing und goldgelbes Licht verbreitete.
»Und die Story hat ja auch funktioniert«, fuhr Barb fort. »Heute gebe ich das offen zu, aber ich habe über zehn Jahre gebraucht, Libby, bis ich es mir eingestehen konnte, dass ich über eine Menge Beweismaterial einfach hinweggegangen bin, weil es einfach nicht in die Ben-Satan-Theorie gepasst hat. Es gab so viele rote Warnflaggen, aber ich habe sie einfach ignoriert.«
»Was zum Beispiel?«
»Hmm, beispielsweise die Tatsache, dass man Ihnen Ihre Aussage eindeutig vorgesagt hat, dass Sie keine glaubwürdige Zeugin waren, dass der Psychologe, den man Ihnen zugeteilt hatte, um Sie – Zitat – ›aus der Reserve zu locken‹, Ihnen ohne jeden Zweifel Worte in den Mund gelegt hat.«
»Dr. Brooner?« Ich erinnerte mich noch gut an Dr. Brooner: ein schnauzbärtiger Hippie-Typ mit einer großen Nase und kleinen Augen – er sah aus wie ein freundliches Tier aus einem Kinderbuch. Zusammen mit Tante Diane war er der einzige Mensch, zu dem ich in diesem ganzen Jahr Zuneigung fasste, und der Einzige, mit dem ich über die Mordnacht sprach, da Diane nichts davon hören wollte. Dr. Brooner.
»Ein Quacksalber«, höhnte Barb und kicherte. Ich wollte schon protestieren, weil ich mich auf den Schlips getreten fühlte – diese Frau hatte mich soeben genau genommen als Lügnerin bezeichnet, was der Wahrheit entsprach, mich aber trotzdem ärgerte –, aber sie ließ mir keine Gelegenheit und quasselte weiter. »Und das Alibi Ihres Vaters? Diese Freundin? Damit hätte er nie im Leben durchkommen dürfen. Der Mann hatte kein richtiges Alibi, und er schuldete einer Menge Leute einen Haufen Geld.«
»Meine Mom hatte kein Geld.«
»Aber sie hatte mehr als Ihr Dad, glauben Sie mir.« Ich glaubte ihr. Mein Dad hat mich einmal zu den Nachbarn geschickt, damit sie mich aus Mitleid beim Lunch mitessen ließen, und mir gesagt, ich sollte unter den Sofakissen nachschauen und ihm, falls ich welches fand, das Kleingeld aus den Ritzen bringen.
»Und dann gab es auch noch die blutige Fußspur eines eleganten Männerschuhs, und das Blut ließ sich keinem der Beteiligten zuordnen. Andererseits war ja der ganze Tatort verunreinigt – das habe ich in meinem Buch übrigens auch ausgelassen. Den ganzen Tag sind irgendwelche Leute raus- und reingelaufen. Ihre Tante kam und hat ganze Schränke ausgeräumt, weil sie Klamotten und anderes Zeug für Sie mitnehmen wollte. Das war alles ein grober Verstoß gegen die polizeilichen Vorschriften. Aber es hat
keinen gekümmert
. Die Leute sind komplett durchgedreht. Und dann war da eben noch dieser seltsame Teenager, den niemand in der ganzen Stadt richtig leiden konnte, der kein Geld hatte, nicht gut auf sich aufgepasst hat und zufällig Heavy Metal mochte. Es ist einfach nur peinlich.« Sie unterbrach sich und riss sich zusammen. »Schrecklich. Eine Tragödie.«
»Kann man Ben mit diesen Argumenten womöglich aus dem Gefängnis holen?«, fragte ich, und mir wurde ganz flau im Magen. Allein bei dem Gedanken, dass diese Frau, die so entschieden an Bens Schuld geglaubt hatte, nun die gegenteilige Meinung vertrat, wurde mir übel. Und auch, weil ich schon wieder eine Person vor mir hatte, die sicher war, dass ich falsch ausgesagt hatte.
»Na ja, das versuchen Sie doch, oder nicht? Ich glaube allerdings, dass es nahezu unmöglich ist, die Sache nach all den Jahren noch einmal aufzurollen und rückgängig zu machen – die Zeit, in der er in die Berufung hätte gehen können, ist abgelaufen. Er müsste auf Habeas Corpus plädieren und … und man müsste hieb- und stichfestes neues Beweismaterial auffahren, um die juristische Mühle wieder in Gang zu setzen. DNA -Spuren zum Beispiel. Leider ist Ihre Familie eingeäschert worden, deshalb …«
»Gut, danke«, fiel ich ihr ins Wort, denn ich wollte sofort nach Hause, augenblicklich.
»Ich möchte noch einmal betonen, dass ich mein Buch nach der Urteilsverkündung geschrieben habe, aber falls ich irgendetwas tun kann, um Ihnen zu helfen, lassen Sie es mich bitte wissen, Libby. Ich trage einen Teil der Schuld, ganz klar. Und dafür übernehme
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