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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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hatte Leute, die in einer Wohnung wohnen mussten, immer bemitleidet. Sie mussten zuhören, wie ihre Nachbarn rülpsten und sich zankten. Auf einmal gaben ihre Beine nach, und Patty sank zu Boden. Sie hatte nicht die Energie, die Farm zu verlassen, niemals. Die letzten Jahre hatten all ihre Kräfte verbraucht. Manchmal kam sie morgens nicht aus dem Bett, schaffte es nicht mal, ihre Beine unter der Decke hervorzustrecken. Dann mussten die Mädchen sie hochhieven, mussten sie in die Küche zerren, und wenn sie dann Frühstück machte und etwas für die Schule vorbereitete, träumte sie davon zu sterben. Ein schneller Tod, eine Herzattacke in der Nacht, ein Verkehrsunfall. Mutter von vier Kindern vom Bus überfahren. Dann würde Diane die Kinder adoptieren und verhindern, dass sie den ganzen Tag im Schlafanzug rumhingen, würde dafür sorgen, dass sie zum Arzt gingen, wenn sie krank waren, und sie anschnauzen, wenn sie nicht das taten, was man ihnen sagte, so lange, bis sie alles erledigt hatten. Patty war einfach unfähig, sie war schwach und labil, ihr Optimismus war leicht zu entzünden, aber noch viel schneller erlosch er wieder. Eigentlich hätte Diane die Farm übernehmen sollen. Aber sie wollte nicht, war mit achtzehn weggegangen, hatte einen fröhlichen, flexiblen Lebensweg eingeschlagen und war als Rezeptionistin in einer Arztpraxis gelandet, in Schieberton, nur dreißig Meilen weit weg. Aber diese dreißig Meilen waren wichtig.
    Ihre Eltern hatten Dianes Abschied so gleichmütig hingenommen, als wäre er schon immer geplant gewesen. Sie konnte sich noch erinnern, wie ihre Familie in der Highschool-Zeit an einem verregneten Oktoberabend aufgebrochen war, um Patty als Cheerleader zu bewundern. Dafür mussten sie drei Stunden fahren, weit nach Kansas hinein, fast nach Colorado, und das ganze Spiel hindurch regnete es, zwar nur leicht, aber ununterbrochen. Als es vorbei war – Kinnakee hatte verloren –, sah Patty ihre grauhaarigen Eltern und ihre Schwester über das Spielfeld auf sich zukommen, drei solide Ovale in groben Wollmänteln, alle mit einem stolzen und dankbaren Lächeln auf den Lippen, als hätte Patty soeben ein Mittel gegen Krebs entdeckt.
    Inzwischen waren Ed und Ann Day beide tot, früh, aber nicht unerwartet gestorben. Diane hatte sich zur Managerin in der gleichen Arztpraxis hochgearbeitet und lebte in einer netten, mit Blumenrabatten geschmückten Wohnwagensiedlung.
    »So ein Leben ist gut genug für mich«, sagte sie immer. »Kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals was anderes möchte.«
    So war Diane. Kompetent. Sie war diejenige, die sich erinnerte, was die Mädchen besonders gern mochten, sie vergaß nie, ihnen das jährliche Kinnakee-T-Shirt zu kaufen: Kinnakee, das Herz von Amerika! Diane hatte den Mädchen weisgemacht, dass Kinnakee auf Indianisch Kleine Zauberfrau bedeutete, und sie hatten sich so sehr darüber gefreut, dass Patty es nicht übers Herz brachte, sie darüber aufzuklären, dass es eigentlich bloß Fels oder Krähe oder etwas Ähnliches hieß.
     
    Dianes Hupe holte sie aus ihrer Grübelei, das übliche festliche Tututut!
    »Diane!«, kreischte Debby, und schon hörte Patty, wie die drei Mädchen zur Haustür rannten, konnte sich ihre fliegenden Rattenschwänzchen und hüpfenden Hinterteile vorstellen, und dann spann sie das Bild einfach weiter, malte sich aus, wie sie weiterrannten, raus zum Auto, wie Diane mit ihnen wegfuhr und Patty hier im Haus zurückblieb, wo sie dafür sorgen würde, dass sie endgültig Ruhe hatte.
    Aber dann raffte sie sich auf und wischte sich das Gesicht mit einem schmutzigen Waschlappen ab. Ihr Gesicht war immer rot, die Augen immer blutunterlaufen, also konnte man auch nicht erkennen, ob sie geweint hatte – der einzige Vorteil, wenn man aussah wie eine gehäutete Ratte. Als sie die Tür aufmachte, packte ihre Schwester bereits drei Ladungen Konserven aus und schickte die Mädchen zum Auto, um den Rest zu holen. Der Geruch brauner Papiertüten war für Patty untrennbar mit Diane verbunden, denn ihre Schwester versorgte sie schon sehr lange mit Lebensmitteln. Das perfekte Beispiel für Pattys verkorkstes Leben: Sie wohnte auf einer Farm, hatte aber nie genug zu essen.
    »Ich hab ihnen auch eins von diesen Stickeralben mitgebracht«, sagte Diane und legte das Heftchen auf den Tisch.
    »Oh, du verwöhnst sie, Diane.«
    »Na ja, ich hab nur eines gekauft, also müssen sie teilen. Das ist doch gut, oder?« Sie lachte und machte sich ans

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