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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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Nacht aufgehört zu wachsen. Mein großer Bruder. Und er freute sich, mich zu sehen.
Er weiß, wie er dich um den Finger wickeln kann
, warnte ich mich. Dann schob ich den Gedanken beiseite.
    »Ich freue mich, ich freue mich so«, sagte Ben, schaute aber immer noch auf seine Hände. »Ich habe im Lauf der Jahre viel über dich nachgedacht und mich gefragt, wie es dir geht. Das macht man eben hier drin … man denkt und fragt sich alles Mögliche. Gelegentlich hat mir jemand etwas über dich geschrieben. Aber das ist nicht das Gleiche.«
    »Nein«, stimmte ich zu. »Behandeln sie dich okay hier?«, fragte ich, blöd, mit glasigen Augen, und dann fing ich auf einmal an zu weinen und wollte nur noch sagen
estutmirleidestutmirleidestutmirsoleid
. Aber ich sagte nichts und schaute nur auf die Pickel in Bens Mundwinkel.
    »Mir geht’s gut, Libby, schau mich doch an.« Meine Augen blickten in seine. »Mir geht’s gut. Wirklich. Ich habe meinen Highschool-Abschluss gemacht, was ich wahrscheinlich draußen nicht geschafft hätte. Und jetzt bin ich schon halbwegs durchs College. Hauptfach Englisch. Ich lese Shakespeare.« Er stieß den Kehllaut aus, den er schon früher immer als Lachen zu verkaufen versucht hatte. »Fürwahr, du garstiger Lümmel.«
    Ich wusste nicht, was er damit meinte, aber ich lächelte, weil er das offensichtlich von mir erwartete.
    »Mann, Libby, ich finde es toll, dass du da bist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut mir das tut. Scheiße, tut mir leid. Du siehst echt aus wie Mom. Sagen dir das die Leute nicht dauernd?«
    »Wer sollte mir das sagen? Keiner kennt sie. Runner ist weg, keine Ahnung, wo. Diane und ich reden nicht miteinander.« Ich wollte ihm leidtun, wollte mich in meinem großen leeren Mitleidspool treiben lassen. Da saßen wir also, die letzten beiden überlebenden Days. Wenn ich Ben leidtat, war es schwerer für ihn, mir die Schuld zu geben. Wieder kamen mir die Tränen, und ich hielt sie nicht zurück. Zwei Stühle weiter verabschiedete sich die Indianerfrau, und ihr Weinen war so tief wie ihre Stimme.
    »Dann bist du jetzt ganz alleine, was? Das ist aber nicht gut. Sie hätten sich besser um dich kümmern sollen.«
    »Was bist du denn?«, platzte ich heraus, das Gesicht tränenüberströmt. »So ein Wiedergeborener?« Ben runzelte verständnislos die Stirn. »Ist es das? Du verzeihst mir? Du solltest lieber nicht so nett zu mir sein.« Aber genau danach sehnte ich mich ja, spürte das Bedürfnis nach Unterstützung, so dringend, wie man eine heiße Kartoffel fallen lässt.
    »Ach was, ich bin doch gar nicht so nett«, entgegnete er. »Ich hab eine Menge Wut auf viele Leute, aber du gehörst nicht dazu.«
    »Aber«, sagte ich und schluckte schwer an einem Schluchzer, wie ein Kind. »Aber meine Aussage! Ich glaube … womöglich … ich weiß nicht, ich weiß nicht …«
Er muss es gewesen sein
, warnte ich mich im Stillen.
    »Ach das«, erwiderte er, als wäre meine Aussage nichts als eine kleine Unannehmlichkeit, ein unwichtiges Problem in einem ansonsten schönen Sommerurlaub, das man am besten vergessen sollte. »Du liest meine Briefe nicht, oder?«
    Ich versuchte es mit einem Achselzucken zu erklären.
    »Na ja, deine Aussage … Es hat mich nur überrascht, dass die Leute dir geglaubt haben. Was du gesagt hast, hat mich überhaupt nicht gewundert. Du warst in einer total beschissenen Lage. Und du hast schon immer gern gelogen.« Er lachte wieder, und ich stimmte ein, schnelles Gelächter, das gut zusammenpasste, als hätten wir denselben Husten. »Nein, im Ernst, weißt du, was ich denke, warum sie dir geglaubt haben? Die wollten, dass ich in den Bau wandere, ich sollte ins Gefängnis kommen, das war damit bewiesen. Verdammte kleine Siebenjährige. Mann, du warst noch so klein …« Seine Augen wanderten nach rechts, verloren sich in einem Tagtraum. Aber er holte sie zurück. »Weißt du, was ich neulich gerade gedacht habe, keine Ahnung, warum? Ich dachte an dieses blöde Porzellanhäschen, das wir immer aufs Klo setzen mussten.«
    Ich schüttelte den Kopf, denn ich hatte keinen Schimmer, wovon er redete.
    »Du erinnerst dich nicht mehr an das Häschen? Das Klo war doch kaputt, die Spülung hat nicht mehr funktioniert, wenn man sie mehr als einmal in der Stunde betätigt hat. Wenn also einer von uns gekackt hatte und nicht spülen konnte, dann sollten wir den Klodeckel zumachen und das Häschen draufsetzen, damit die anderen Bescheid wussten und nicht von einer

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