Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
Einem anderen hatte Ben das Satanszeichen hinter seinem Ohr gezeigt und ihn aufgefordert, seinem Kult beizutreten. Auch bei Krissi bemerkte ich diesen Eifer, dieses gierige tiefe Luftholen, ehe sie zu reden begann.
»Was ist denn genau passiert?«, fragte ich.
»Möchten Sie die jugendfreie oder die versaute Version?« Sie bestellte noch eine Runde Wodka Cranberry und drei Slippery Nipples. Der Barkeeper goss das Zeug, das er schon vorgefertigt bereithielt, aus einem Plastikkrug ein, sah mich mit fragend hochgezogener Augenbraue an und wollte wissen, ob wir eine Rechnung aufmachen wollten.
»Schon gut, Kevin, meine Freundin hat genug«, antwortete Krissi und lachte. »Wie heißen Sie eigentlich?«
Ich umschiffte die Antwort, indem ich den Barkeeper fragte, wie viel ich ihm schuldete, und zog dann das Geld aus einem Bündel Zwanzigdollarscheine, damit Krissi wusste, dass ich noch mehr Geld hatte. Wenn man einen Schnorrer drankriegen will, darf man nicht knausrig sein.
»Das Zeug wird Ihnen bestimmt schmecken, man denkt, man trinkt einen Keks«, sagte sie. »Prost!« Den Mittelfinger in Richtung eines dunklen Fensters weiter hinten im Club gereckt, wo vermutlich Mike saß, hob sie das Schnapsglas. Wir tranken, und das dicke Zeug blieb mir im Hals stecken, während Lyle ein
Huuuuh
von sich gab, als wäre es Whiskey gewesen.
Nach einer kurzen Verschnaufpause schob Krissi ihre Brüste zurecht und holte noch einmal tief Luft. »Also, ja. Ich war elf, Ben fünfzehn. Er hing nach der Schule immer mit mir rum und hat mich angeglotzt. Ich meine, das ist mir öfter passiert, schon seit eh und je. Schließlich war ich ein niedliches kleines Mädchen, ich will nicht prahlen, war einfach so. Und wir hatten eine Menge Geld. Mein Dad …« An dieser Stelle sah ich ein Aufflackern von Schmerz, ein kurzes Schürzen der Oberlippe, so dass für einen Moment ein einzelner Zahn zu sehen war. »Er war ein Selfmademan. Hat sich ganz zu Anfang in die Videoindustrie gestürzt und es zum wichtigsten Großhändler in der Branche geschafft.«
»Mit Filmen?«
»Nein, mit leeren Bändern, zum Aufnehmen. Erinnern Sie sich? Na ja, wahrscheinlich sind Sie dafür zu jung.«
Das war ich keineswegs.
»Jedenfalls war ich ein leichtes Opfer. Nicht dass ich ein Schlüsselkind gewesen wäre oder so was, aber meine Mom hat mich auch nicht die ganze Zeit im Auge behalten.« Diesmal erhaschte ich ganz eindeutig einen bitteren Ausdruck auf ihrem Gesicht.
»Moment mal, was haben Sie noch mal gesagt, warum Sie hier sind?«, unterbrach sie sich plötzlich.
»Ich recherchiere den Fall.«
Ihre Mundwinkel rutschten wieder nach unten. »Oh. Eine Sekunde dachte ich schon, meine Mom hat Sie geschickt. Ich wette, sie weiß, dass ich hier bin.«
Mit ihren langen, korallenroten Fingernägeln trommelte sie auf den Tresen, und ich versteckte meine linke Hand mit dem verkrüppelten Finger unter meinem Schnapsglas. Ich wusste, dass mir Krissis Familienleben nicht hätte so egal sein dürfen, aber so war es eben. Na ja, es kümmerte mich immerhin so viel, dass ich ihr nicht sagte, ihre Mutter würde bestimmt nicht hier auftauchen, um nach ihr zu sehen.
Einer der Gäste an einem der Plastiktische glotzte uns die ganze Zeit über die Schulter besoffen und unverschämt an. Am liebsten wäre ich sofort aufgestanden und hätte Krissi mit ihren Problemen allein gelassen.
»Also«, begann sie gerade wieder. »Ben war echt hinterhältig. Er hat irgendwie … wollen Sie ein paar Chips? Die sind hier echt lecker.«
Hinter der Bar hingen Chipstüten in preiswerter Snackgröße.
Die Chips sind hier echt lecker
. Dass sie mich so hemmungslos ausnutzte, machte mir die Frau richtig sympathisch. Ich nickte, und kurz darauf riss Krissi auch schon ein Tütchen auf. Beim Gestank von Sauerrahm und Zwiebeln lief mir das Wasser im Mund zusammen, obwohl er es eigentlich besser wusste. Gelber Geschmacksverstärker klebte an Krissis Bubblegum-Lipgloss.
»Jedenfalls hat Ben sich mein Vertrauen erschlichen und dann angefangen, mich zu belästigen.«
»Wie hat er sich denn Ihr Vertrauen erschlichen?«
»Na, Sie wissen schon – Kaugummi, Süßigkeiten … und er hat mir nette Sachen gesagt.«
»Und wie hat er Sie belästigt?«
»Er hat mich in die Abstellkammer gelockt, wo er sein Reinigungszeug aufbewahrte, er hat da ja geputzt und so. Ich weiß noch, dass er immer scheußlich gerochen hat, wie dreckiges Putzwasser. Nach der Schule hat er mich da immer mit reingenommen, und dann
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