Dark Road
stand mit dem Rücken zum Fenster. Nur Anselm konnte Ernesto sehen. Seine Augen weiteten sich. Mit dem Kopf machte er eine winzige Bewegung, die Ernesto sagen sollte, dass er verschwinden solle.
»Man wird dich mit dem Gewehr im Mund finden«, sagte Golightly überraschend sanft. »Und dein Gehirn schmückt die Wand. Selbstmord. Keine Sorge, ich helfe dir, den Abzug zu drücken. Genau wie ich dir dein ganzes verdammtes Leben lang immer geholfen habe.«
Er führte den Lauf des Gewehrs näher an Anselms Gesicht.
Ernesto rutschte aus, konnte sich gerade noch abfangen, keuchte vor Schmerz, und Golightly sah über die Schulter und entdeckte ihn.
Mit einem Wutschrei rannte Golightly auf ihn zu. Er stieß den Kopf und die Schultern aus dem engen Fenster, drehte sich mit einer heftigen Bewegung herum und entdeckte Ernesto auf dem schmalen Sims, nur wenige Zentimeter über sich. Er zwängte einen Arm durch das Fenster und griff nach oben, um Ernesto an seiner zerrissenen Kleidung zu packen und ihn vom Sims zu ziehen. Ernesto gelang es, auf die Beine zu kommen.
Golightly war mittlerweile durch das Fenster gestiegen und stand auf dem Sims.
Ernesto schob sich auf der Kante stehend ein wenig weiter weg, gerade so, dass Golightly ihn nicht erreichen konnte, und presste seinen Körper an die Wand.
Golightly warf sich nach vorn und versuchte Ernestos Bein zu fassen zu bekommen, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Aber es war nicht Ernesto, der den Halt verlor.
Ernesto sah schreiend zu, wie Golightly rückwärts auf dem Dach des Erkerfensters aufschlug und herunterrollte, genau wie er zuvor.
Aber Golightly hatte seine Kindheit nicht damit verbracht, auf Dächern herumzuschleichen. Er war größer und schwerer als Ernesto und konnte sich nicht mit den Fingerspitzen an den Steinen oder der Regenrinne halten.
Er fiel weiter, streifte einen steinernen Löwen, der hervorstand wie ein Wasserspeier, und stürzte immer weiter und weiter in die Tiefe.
KAPITEL 60
Jeder Muskel und jeder Knochen in Ernestos Körper schmerzten. Er kroch durchs Fenster in Anselms Zimmer, das ihm auf einmal sehr dunkel erschien, und versuchte zu stehen. Dann kroch er weiter. Er blickte in das zertrümmerte Zimmer und sah, dass Anselm versuchte, sich gegen das schwankende Himmelbett gelehnt aufzurichten.
»Ernestino?«
»Ich bin hier.«
»Bist du verletzt?«
»Ein bisschen.«
Ernesto schaffte es, sich aufzurichten. Er stieg über den Chauffeur, der sich stöhnend auf dem mit Glasscherben übersäten, zerrissenen Teppich wand.
»Wo ist Steward?«
Ernesto war jetzt bei Anselm angelangt. Er stellte fest, dass seine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren, und suchte nach etwas, womit er das Seil zerschneiden konnte. Auf dem Boden fand er ein Stück Glas.
Anselms Gesicht war vor Schmerz ganz grau. Auch als das Seil endlich durchtrennt war, bewegte er sich nicht.
»Wo ist Steward?«
Ernesto legte die Glasscherbe beiseite. Er begann zu zittern, seine Zähne klapperten so laut, dass er nicht sprechen konnte.
Stöhnend und nach Atem ringend, wankte Anselm auf unsicheren Beinen zum Fenster, sah hinaus und nach unten. Er blieb reglos stehen. Dann drehte er sich zu Ernesto um.
Ernesto hielt ihm den blutverschmierten Schutzengel entgegen, der auf seiner Handfläche lag.
»Warum wolltest du ihn haben?«, fragte Anselm. Er nahm ihn nicht, sondern starrte nur darauf. Als ob er nach etwas fragte, das in einem anderen Leben geschehen war.
Ernesto schüttelte den Kopf. Er zitterte noch immer.
»Mir ist so kalt«, sagte Anselm. »Wir müssen nach unten.«
Gegenseitig stützten sie sich und gingen langsam durch das zerstörte Zimmer zur Tür. Der Chauffeur regte sich wieder und versuchte sich aufzusetzen. Anselm schloss die Tür hinter ihnen ab.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie unten ankamen. Das Haus war verlassen. Als sie schließlich das Büro erreichten, legte Anselm Ernesto eine Decke um die Schultern und schenkte ihnen beiden etwas Brandy ein.
Ernesto hielt das Glas an die Lippen, und seine Zähne stießen an den Rand. Anselm nahm seine Hand und hielt sie fest.
»Du warst sehr mutig, Ernestino«, sagte er. »Eine kurze Zeit lang dachte ich da drin, ich hätte dich verloren.«
KAPITEL 61
Zack stand an der Quelle in der Höhle. In wenigen Minuten würden Clovis, Moe und er mit dem Van zu dem Treffen vor dem Haus der Scarsprings aufbrechen.
Er stellte die Laterne auf den Boden und kniete sich hin.
Die Quelle flüsterte leise
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