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Dark Road

Titel: Dark Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Haptie
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lockerer machen.«
    Ernesto griff nach dem zweiten Glas. Er nahm einen kleinen Schluck. Es fühlte sich an, als würde sich eine Giftschlange seine Kehle hinabschlängeln.
    »Ehe wir zu dieser langweiligen Katze kommen, die dir offenbar so am Herzen liegt, muss ich dir etwas anderes sagen. Du bist jetzt alt genug.«
    Anselm öffnete eine Schublade seines Schreibtischs, nahm mehrere Pergamentrollen heraus, griff sich eine bestimmte und entrollte sie auf dem Schreibtisch.
    »Eine Karte, Ernesto. Rockscar ist eine große Stadt, und wie jede große Stadt will sie an ihre Macht glauben. Aber wir wissen beide, dass sie im Vergleich mit der Wildnis, die sie umgibt und bis zum Meer reicht, klein ist. Die Stadt ist tatsächlich wie ein Barnacle-Krebs, der an einer Felswand klebt. Die Wildnis dagegen erstreckt sich weit. Brachliegende und gefürchtete Berge und Wälder ziehen sich auf beiden Seiten über zweihundert Meilen bis ins Landesinnere. Und die Wildnis beginnt genau dort, wo die Stadt endet.«
    Der Brandy hatte seinen Weg in Ernestos Gehirn gefunden. Er spürte Schwindel und dann Mut.
    »Mein Vater wurde in der Wildnis getötet.«
    »Ja«, sagte Anselm. »Auf der Wolf Road. Hier.« Einen Augenblick lang brach seine Stimme. Er legte einen Finger auf die Karte, weit oben über Storm Hill.
    Ernesto ließ sich in seinen Stuhl sinken. Anselm zündete seine Zigarre erneut an.
    »Du kennst die Geschichte dieser Nacht. Mein Bruder, dein Vater, war ein Held. Ein Kämpfer und ein Anführer. Er, Golightly und ich jagten Berglöwen, dort wo der Wald in Fels übergeht. Niemand hat sich je dorthin gewagt. Bis heute nicht. Wir folgten einer Straße, die schon seit Jahren verlassen war — der Wolf Road.
    Es war schon sehr spät, und wir hatten abnehmenden Mond, der ohnehin von Wolken verdeckt war. In der tiefsten Dunkelheit waren wir auf dem Weg nach Hause.
    Ein Berglöwe sprang uns an. Vielleicht war er uns gefolgt und hatte sich dann bis zu unserer Rückkehr auf die Lauer gelegt.Vielleicht war es auch eine Löwin, die ihre Jungen beschützen wollte. Dieser Löwe tötete deinen Vater mit einem einzigen Schlag. Ich habe gesehen, wie es passiert ist. Er stieß ihn von der Straße in einen tiefen Abgrund.
    Golightly war ein kleines Stück vor uns. Er kam zurück, als er meine Schreie hörte. Gemeinsam haben wir die Bestie übermannt, aber sie konnte entkommen und fliehen. Zu spät für deinen Vater. Wir konnten nicht einmal seinen Körper finden.«
    Stille, nur durchbrochen vom Ticken des hartnäckigen kleinen Weckers. Ernesto wartete — er kannte die Geschichte vom Tod seines Vaters. Die Zigarre glühte zwischen Anselms langen Fingern.
    »Du und Steward Golightly sind zwei der wenigen Menschen, die einen Kampf mit einem Berglöwen überlebt haben«, wagte sich Ernesto schließlich vor.
    Anselm stieß ein trockenes Lachen aus. »Diese Geschichte hast du schon oft gehört, nicht wahr ... und du hast dich nie gefragt, wie drei junge, starke, schwer bewaffnete Männer so einfach in einen Hinterhalt geraten konnten? Wenn wir nur zur Löwenjagd in den Bergen waren, warum sind wir dann durch die schwarze Nacht gewandert und Golightly allein voraus? Wo waren unsere Gewehre? Der Löwe tötete meinen Bruder, deinen Vater, den Erben unseres Vermögens und unserer Macht. Warum haben wir den Löwen nicht erlegt? Warum konnten wir keine Spur, keine einzige Spur von deinem Vater finden? Hast du dir niemals darüber Gedanken gemacht, kleiner Ernesto?«
    Ernesto schüttelte den Kopf.
    »Lass mich dir ein paar Antworten auf diese Geheimnisse geben«, sagte Anselm. Er sprach jetzt langsam und bestimmt. Ernesto konnte seinen warmen Brandy-Atem riechen.
    »Wir haben den Körper des Löwen nicht mitgebracht, weil es keinen Löwen gab.« Eine kurze Pause. »DeinVater war ein gebildeter Mann, der Gewalt verabscheute und auch die Jagd. Dass wir in dieser Nacht auf der Wolf Road waren, hatte mit Jagd nichts zu tun. Es war kein Berglöwe, der ihn getötet hat. In den Bergen ist die Zivilisation weit weg, Ernesto, und andere Kräfte beherrschen die Welt, uralte Mächte ... die Macht der Wildnis.«
    Ernesto spürte, wie sein Herz gegen seine Brust schlug.
    »Was meinst du damit?«, stammelte er.
    Wie ein Gewehrschuss schlug Anselms seine Hand auf das Pergament.
    »Nun!«, bellte er. »Du weißt, dass ein erbärmlicher Troll unseren Besitz verwüstet und uns erniedrigt. Die Trolle wollen nicht, dass wir außerhalb der Stadt nach Wasser suchen. Sie sind sehr

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