Dark Road
die aus dem Scarspring-Haus trat und die Treppen hinunterging, während ein geschäftiger Mann mit einem Zylinder auf sie einredete.
»Ich schicke dir eine Nachricht«, sagte Frankie. »Ich bin mir sicher, dass ich was rausfmden kann.«
»Aber schick sie nicht hierher«, sagte Ernesto schnell. »Privatsphäre gibt es hier kaum.«
»Kann ich dich anrufen?«
»Auf keinen Fall. Golighdy würde mit Sicherheit zuhören. Alle Leitungen sind verkabelt. Und komm auch nicht her, das könnte dich in Gefahr bringen.«
Der Fahrer öffnete die Tür. Rose stieg beinah hinein, doch dann sah sie Ernesto.
»Frankie, was ist denn hier los? Ich sagte doch, dass du Master Ernesto einen Stuhl holen und nicht, dass du ihn in unser Auto locken sollst. Man sucht schon nach ihm.«
Ernesto stieg aus.
»Wo wohnst du?«, fragte er Frankie.
Sie nannte eine Adresse weit weg, auf der anderen Seite der Stadt.
»Wenn es dir besser geht, Ernesto, muss ich dich bitten, wieder ins Haus zu gehen«, sagte Rose nachdrücklich. »Frankie meint es gut, aber ich will nicht, dass mir vorgeworfen wird, dass ich dich entführen wollte.«
Ernesto warf Frankie noch einen letzten hektischen Blick zu. Auf ihrem Gesicht leuchtete plötzlich eine Idee auf.
»Manchmal helfe ich Mum bei ihren Geschichten«, sagte sie. »Ich will Drehbuchautorin werden. Manchmal darf ich bei den Dialogen mitarbeiten. Ich könnte dir eine Botschaft durch ein Manuskript senden.«
»Master Ernesto muss jetzt gehen«, sagte Rose sehr bestimmt.
Ernesto schüttelte beiden noch schnell die Hände. Und dann ein Geistesblitz: Er zog Fischers Halsband aus seiner Tasche und gab es Frankie. »Ich habe das an der Ecke zur Excelsior Avenue gefunden«, flüsterte er. »Es gehört meiner Katze.«
Dann lief er vom Auto weg und versuchte sich vergebens daran zu erinnern, wo er Roses rauchige Stimme schon einmal gehört hatte. Den ganzen Weg zu seinem leeren Zimmer hinauf lenkte er sich so von der Tatsache ab, dass er ganz alleine war.
KAPITEL 28
Anselm und Steward Golightly waren im Billardzimmer und saßen in großen Ledersesseln. Alle Partygäste hatten sich verabschiedet, die Bediensteten waren im Bett, und im Haus über ihnen war es still. Eine abgedunkelte Lampe tauchte die Männer in sanftes, orangefarbenes Licht.
Anselm blickte auf die glühenden Kohlen im Kamin. Er hielt ein Amulett in der Hand und ließ die Kette langsam durch seine Finger gleiten. Steward Golightly wirkte weniger zufrieden.
»Du sagst, dass er sich auf die Suche nach dem Troll machen will?«
»Das hat er nicht gesagt, aber ich hatte diesen Eindruck. Wie du es vorhergesagt hast, ist er völlig außer sich wegen dieser räudigen Katze.«
Golightly sah mit finsterer Miene vor sich hin. Er schob seinen Ärmel zurück und untersuchte drei tiefe Kratzer auf seinem Unterarm.
»Und es kümmert dich überhaupt nicht, Anselm, dass er sich zum Gespött aller gebildeten Bürger der Stadt machen wird?«
»Nein, das kümmert mich nicht. Ich selbst bin mir ziemlich sicher, dass es einen Troll gibt. Um ihn zu finden, braucht man keine körperliche Kraft, sondern Intelligenz. Wenn es irgendjemandem gelingt, dann ihm. Er ist ein ziemlich kluger junger Bursche. Außerdem kennt ihn die Öffentlichkeit noch kaum. Er kann Nachforschungen anstellen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
Golightly hob die Augenbrauen. »Mit meinem Vorschlag, die Katze zu entfuhren, wollte ich ihn eigentlich nur dazu ermutigen, ein wenig aus sich herauszugehen. Ich ging davon aus, dass die Aufgabe, die wir ihm stellen wollten, eine körperliche sein würde, etwa wie die Außenseite des Gezeitenturms hinaufzuklettern oder mit einem der Fischerboote hinauszufahren und einen Hai zu fangen.«
»Dann hast du falsch gedacht«, sagte Anselm. »Seine Aufgabe ist es, diesen lästigen Troll zu finden.«
»Und wenn es ihn gar nicht gibt? Wenn Trolle nur eine Legende sind, wie es die meisten Menschen glauben?«
»Du überraschst mich. Aber andererseits bist du natürlich auch kein Scarspring, sondern kommst aus dem Landesinneren. Du wirst die tiefen Geheimnisse unserer Stadt und der Wildnis nie ganz verstehen. Sag mir, was denkst du, was genau haben wir damals in der Nacht auf der Wolf Road getroffen?«
Golightly zuckte zusammen.
»Die Nacht, in der mein Bruder auf dieser Straße starb«, stocherte Anselm weiter. »Und nicht nur mein Bruder, die Nacht ...«
»Ich weiß, von welcher Nacht du sprichst«, knurrte Golightly. »Müssen wir das immer wieder
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