Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dark Road

Titel: Dark Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Haptie
Vom Netzwerk:
hab’s nicht angemacht.«
    An oder aus — die Frauenstimme sang weiter. In ihrer eigenen seltsamen Sprache. Genau wie an jenem Winternachmittag, als Mariette deswegen so ausgeflippt war.
    Moe warf seinen Kopf zurück und begann zu heulen. Ein mächtiges Heulen.
    »Oh, großartig«, keuchte Zack, dessen Kopf hallte wie eine Glocke in einem Kirchturm. »Das hilft ungemein.«
    »Es muss bald wieder ein Bahnübergang kommen«, rief Clovis, als das Heulen an- und abschwoll und der Gesang wie das Meer stieg und fiel. »Da müssen wir versuchen, hier runterzukommen. Die Gleise müssten dort in der Straße versinken, damit man darüberfahren kann, deswegen heißt es ja auch Bahnübergang ...«
    Zack nickte und starrte weiter geradeaus. Daran hatte er auch schon gedacht. Sie mussten es nur bis dahin schaffen, ehe sie der Güterzug eingeholt hatte.
    »Und wenn kein Bahnübergang mehr kommt«, fuhr Clovis nach einem weiteren ohrenbetäubenden Heulen fort, »wenn kein Bahnübergang mehr kommt, fahren wir direkt in die Wildnis. Wir können dem Güterzug nicht ewig davonfahren. Wir müssen anhalten, aussteigen und den Eis-Engel auf den Gleisen stehen lassen.«
    Auch daran hatte Zack schon gedacht. Es gab keine Straßen zwischen Rockscar und den Städten im Landesinneren. Sobald sie Rockscar verlassen hatten, würde es keine Bahnübergänge mehr geben. Nur noch die Wildnis, zweihundert Meilen lang.
    Er schauderte. Er konnte das Brummen des zuverlässigen Motors spüren, das Rattern und Poltern der Schwellen unter den Rädern. Der Eis-Engel. Balthasars Engel.
    Er flüsterte leise in sich hinein: »Keine Sorge, Dad. Wir bringen ihn nach Hause.«
    »Ich habe einen Wolf gesehen«, sagte Frankie plötzlich. »Ich habe einen Wölf gesehen, der neben uns hergerannt ist.«
    »Wahrscheinlich ein großer Hund«, murrte Clovis.
    »Ich glaube, ich kenne den Unterschied zwischen einem Hund und einem Wolf«, sagte Frankie. »Und ich habe einen Wolf gesehen. Das ist ein Fall für Dinah Dibbs.«
    »Hört mal!« Clovis klang plötzlich noch ängstlicher.
    Es war das dumpfe Vibrieren des Güterzugs auf den Schienen. Tiefer und verstörender als alle anderen Geräusche um sie herum. Es war eher ein Gefühl als ein Geräusch. Und es kam näher.
    »Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Güterzugs liegt wahrscheinlich bei ungefähr 40 Meilen pro Stunde«, sagte Clovis. »Wir können doppelt so schnell sein, falls notwendig.«
    »Momentan fahren wir ungefähr 25, und wenn wir beschleunigen, fällt wahrscheinlich der ganze Van auseinander«, sagte Zack düster. »Er hat jetzt schon zu kämpfen, merkst du das nicht?«
    »Aber er fällt auf jeden Fall auseinander, wenn uns der Güterzug ...«
    »Da ist der Wolf wieder ...«
    »Schh, wir versuchen hier zu denken.«
    Frankie verzog das Gesicht und starrte in die Nacht hinaus. Die Gebäude wurden niedriger, Holzlager,Werkstätten, leere Flächen reihten sich aneinander. Sie zeigte neben die Gleise auf der Beifahrerseite.
    »Da! Seht mal!«
    »Das hier ist kein erfundenes lustiges Hörspiel!«, schnappte Clovis. »Bitte lass uns nachdenken.«
    In diesem Augenblick schien der Van zu stocken. Ein ersticktes Geräusch drang aus seinem Inneren und er wurde langsamer und langsamer.
    »Tritt aufs Gaspedal«, brüllte Clovis. »Was tust du denn? Los, gib Gas!«
    »Ich kann nichts machen«, schrie Zack zurück. »Wir haben kein Benzin mehr!«
    Clovis hatte seinen Mund geöffnet, um etwas zurückzuschreien. Doch er schloss ihn wieder. Die schwachen Lichter der Anzeigen auf dem Armaturenbrett ließen erkennen, dass er blass geworden war.
    Einen Augenblick lang herrschte fast so etwas wie Stille im Eis-Engel. Moe hatte aufgehört zu heulen. Dann hörte die Frauenstimme auf zu singen. Nur das tiefe, bedrohliche Dröhnen des Güterzugs. Wie ein Geysir, kurz vor dem Ausbruch.
    »Schalt die Lichter aus«, flüsterte Clovis schließlich.
    Zack löschte sie. Wolken schoben sich vor den Mond. Es herrschte vollkommene Dunkelheit.
    »Wie können wir kein Benzin mehr haben?«, fragte Clovis langsam und bestimmt. »Hast du am Wochenende vergessen zu tanken?«
    »Nein«, sagte Zack. »Aber wir haben den Turbozünder benutzt, mindestens fünfzehn Meilen lang, bevor wir auf den Schienen gelandet sind.«
    Sie starrten sich gefährlich lange an.
    »Ich kann den Zug hören«, flüsterte Frankie. Und dann hörten alle den Pfiff der Lok des Güterzugs ein letztes Mal. Sehr nah. Bedrohlich, schrecklich und unaufhaltsam.
    Ohne Vorwarnung

Weitere Kostenlose Bücher