Dark Road
»Ich habe euch gar nicht vorgestellt.« Seine hellbraune Haut überzog sich mit einer leichten Röte — korrekte Manieren gehörten ganz eindeutig zum Scarspring-Haushalt.
»Das ist, das ist Mr. ... äh, Mr....« Er sah Zack ängstlich an.
»Greenwood«, sagte Zack. »Zacharias Greenwood.«
Bei ihrer ersten Begegnung war es dunkel gewesen und Anselm hatte den glänzenden Silberpfeilhelm getragen und den Schal über sein Gesicht gezogen. Nur seine Augen waren zu sehen gewesen. Jetzt standen sie sich im gleißend hellen Sonnenlicht gegenüber. Jeder konnte den anderen deutlich erkennen. Anselms Augen wanderten über Zack. Dann ging er einen Schritt auf ihn zu und geriet wegen der unebenen Pflastersteine ein wenig ins Wanken.
»Ja«, sagte er leise. »Greenwood. Natürlich ...« Er stockte, nickte und sein Blick schien jedes Detail von Zacks Gesicht zu erfassen. »Ich glaube, ich habe Ihren Bruder bereits kennengelernt.«
Zack zuckte vor Überraschung zusammen — die aber gleich noch gesteigert werden sollte.
»Aber ich frage mich«, fuhr Anselm mit derselben merkwürdigen Intensität fort, »wissen Sie denn, wer ich bin?«
Zack warf Magdalena einen Blick zu. Es schien, als wäre an den Gerüchten, dass Bürgermeister Scarspring verrückt sei, tatsächlich etwas dran. Oder vielleicht hielt er Zack auch nur für dumm. Das war wohl am wahrscheinlichsten.
»Sie sind der Bürgermeister, Sir. Sie sind Bürgermeister Anselm Scarspring«, sagte er vorsichtig. »Direktor der Scarspring Wassergesellschaft.«
Anselm nickte wieder und blickte dann weg.
»Sie haben recht«, sagte er. »Das sind alles hübsche Titel, die nichts zu bedeuten haben.«
Unangenehmes Schweigen folgte. Die Sonne brannte auf Zacks Gesicht.
»Also«, fuhr Anselm fort und wandte sich an Magdalena. »Wenn ich gewusst hätte, dass Ihre Familie existiert, hätte ich Sie schon lange selbst aufgesucht. Ich bin sehr interessiert daran, jemanden zu treffen, der aus erster Hand Erfahrungen mit Trollen gemacht hat. Tatsächlich, wegen eines Erlebnisses, dass ich selbst ... ein Ereignis, das bisher ungeklärt ist und mich hartnäckiger verfolgt, als ich sagen kann. Ich würde Ihnen gerne etwas beschreiben und möchte Sie bitten, mir zu sagen, ob diese Beschreibung mit Ihren Erfahrungen übereinstimmt, also ob es sich Ihrer Meinung nach um einen Troll ...«
Der elegante, gefasste Bürgermeister von Rockscar war verschwunden. In diesem Augenblick war Anselm so demütig geworden wie ein Pilger.
»Haben Sie ein Radio?«, fragte Ernesto plötzlich.
Drei Augenpaare sahen ihn überrascht an.
»Es ist sehr wichtig«, sagte Ernesto.
»Natürlich«, meinte Magdalena. »In der Werkstatt.«
»Ich muss mir in fünf Minuten und dreißig Sekunden eine kurze Sendung anhören«, sagte Ernesto mit Blick auf seine Uhr.
»Ich zeige Ihnen, wie man den Sender einstellt. Es ist ein wenig launisch«, sagte Magdalena.
»Wenn ihr mich entschuldigt«, sagte Ernesto mit einem höflichen Nicken in Richtung seines Onkels.
Anselm hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Magdalena und Ernesto gingen in den Schatten der Werkstatt hinüber, wo, soweit Zack sich erinnern konnte, ein großes Radio mit vielen Knöpfen auf einem Regal über der Werkbank stand.
Ihre Stimmen wurden leiser, Zack und Anselm blieben allein zurück.
Trotz der vielen Fotos, die er sein ganzes Leben lang in der Zeitung gesehen hatte, hatte sich Zack Anselm breit und korpulent vorgestellt. Ein Großmaul in teuren Klamotten. Aber der echte Anselm war fast dünn. Er hatte große Augen in einem blassen, kantigen Gesicht und sah erschöpft aus.
Plötzlich stieß Zack einen Schrei aus und duckte sich. Durch den Hof hallte ein hohes Brummen, laut, schneidend und wild. Aus den Augenwinkeln sah er etwas, einen roten Blitz in der Luft, zu schnell, um zu erkennen, was da eigentlich um ihn herum flog, näher, dann wieder weiter weg, es tauchte tiefer ab, suchte sich einen Angriffswinkel, das Gesicht, die Augen, die Kehle ...
»Nicht bewegen!«, rief Anselm. »Gewitterfliegen! Nicht bewegen!«
Zack kauerte am Boden und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Jeder wusste, dass man sein Gesicht bedecken musste. Ein Biss, und er wäre innerhalb von wenigen Minuten bewusstlos. Eigentlich hatte er zur Werkstatt rennen wollen, aber etwas in Anselms Stimme hielt ihn zurück. Zwischen seinen Fingern sah er Anselms dunklen Umriss, plötzlich verschwommen in einer brutalen und entschlossenen Bewegung.
»Es ist vorbei«,
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