Dark Room
Atem strich warm über ihre Haut, und er roch nach Pfefferminz und leicht nach Tabak. Seine Lippen berührten ihre nur ganz sachte. Fiona entspannte ihren zusammengepressten Mund und schmiegte sich an ihn. Er wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger.
»Du weißt, dass ich dich liebe, oder? Das hab ich schon, als ich dich in der Nacht gefunden habe. Ich kenne sonst niemanden wie dich. Eine Eule in der Nacht, ein Vögelchen bei Tag und, wenn es brenzlig wird, eine Kampfhenne, alles zusammen.« Er lächelte, und obwohl sie es nicht wollte, ließ sie sich davon anstecken.
»Ich liebe dich«, wiederholte er, »also tu mir den Gefallen und bring dich jetzt in Sicherheit. Mach es für mich.« Endlich küsste er sie, und sie erwiderte seine Berührungen und vergaß für einen Moment, wo sie war und was sie erlebt hatte. Sie lösten sich erst voneinander, als Quälius drängender gegen die Scheibe klopfte. Püppi winkte ihn herein.
Fiona legte ihren Kopf an seine Schultern und murmelte: »Nur für dich. Ich tue alles für dich.« Und sie drückte seine Hand so heftig, als würde sie über einer Klippe hängen und sich an ihm festhalten.
14 TISIPHONE
»Du hast aber schon einen Hang zu Geflügel, oder?« Die Grinsekatze lächelte und drückte Fiona zur Begrüßung kurz an sich. Hinter ihnen lief kichernd eine Gruppe Politessen vorbei, die nackte Männer an Handschellen mit sich zogen. Fiona sah sich in dem barocken, deckenhohen Spiegel an, der hinter der Grinsekatze stand. Sie selbst trug eine Hundemaske, schwarze Unterwäsche aus Kunstleder, schwarze Flügel und ihre kniehohen Schnürstiefel. Ihr weißblondes Haar hatte sie unter einer dunklen Perücke versteckt.
»Ich hab mir halt irgendwas gegriffen, große Auswahl gab’s im Exil ja nicht. Das hab ich alles aus einem Minikaufhaus und einem Spielzeugladen. Ich könnte ein Flughund sein.«
Gemma fuhr mit der Fingerspitze über den Träger des Leder—BHs.
»Eher eine Erinnye. Tisiphone vielleicht, die Rachegöttin, die den Mord rächt.«
»Sie sind eine schlaue Bibliothekarin.«
Fiona zog der Grinsekatze die futuristische Brille von der Nase und sah hindurch: Fensterglas. Diese Brille über den schräg gezeichneten Augenbrauen und eine strenge schwarze Pagenkopffrisur, die spitze Vulkanier-Ohren freigab, veränderten Gemma so sehr, dass Fiona sie kaum wiedererkannt hätte. Die restliche Kleidung der Grinsekatze war für eine Labyrinth-Party ungewöhnlich hochgeschlossen. Sie trug eine Art Uniform, ein silbriges Kleid mit Stehkragen. Erst wenn man näher an sie herantrat, bemerkte man, dass ihr Kleid komplett aus Latex war. Und als Gemma sich umdrehte und einen Vorhang für Fiona beiseitehielt, sah sie, dass der Rockteil ein rückwärtiges Dekolleté hatte, direkt über dem nackten Po, man hatte freien Blick auf die Grübchen in der Hüfte, die Gabelung der Backen und die Ritze.
»Keine Ahnung, wie mein Sklave dieses Gummizeug den ganzen Tag aushält. Ich fühl mich darin wie Gargut im Bratschlauch.«
Fiona wollte etwas sagen, sprang dann aber nur an Gemma vorbei, als zwei Paare in schwarzen Matrix -Kostümen an ihnen vorbeitanzten.
Das Labyrinth war brechend voll.
Die Grinsekatze hatte für diese Nacht einen Seitentrakt des stillgelegten Flughafens Tempelhof ausstaffiert und die Räume, in denen früher Koffer verladen oder Passagiere empfangen worden waren, mit dunklen Filzstoffen und Stellwänden in einen Irrgarten der Lüste verwandelt. »Komm als jemand, der du noch nie sein durftest, und lerne Seiten an dir kennen, die bisher verborgen waren«, hatte in der Einladungsmail gestanden.
Die Security am Eingang kontrollierte, ob auch wirklich alle Gäste kostümiert waren. Püppi selbst saß in einem kleinen Raum an der Schleuse und verfolgte über Monitore alles, was im Labyrinth vorging. Er war nicht davon begeistert gewesen, dass Fiona aus der kleinen Pension bei Magdeburg nach Berlin zurückgekehrt war, aber die Grinsekatze hatte ihn überzeugt, dass sie hier im Labyrinth alles am besten unter Kontrolle haben würden.
Die größeren Räume und ehemaligen Gänge hatte das Team zu Tanzflächen und Sexlandschaften umfunktioniert, und die meisten der kleineren Kammern waren Darkrooms. Nachtsichtkameras zeigten Püppi, was dort passierte. Gemma hielt eine Hand an ihr Ohr, und erst jetzt bemerkte Fiona, dass sie ein Headset trug, kaum sichtbar, nur einen Stecker im Ohr und ein strohhalmdünnes Mikro, das wie bei Musicaldarstellern auf der Wange
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