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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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über dich? Was soll das für eine Gefahr sein, wenn ich weiterfrage? Tante Lorina! Du bist mir Antworten schuldig!«
    Die alte Frau nahm die Atemmaske ab und lächelte schief. Röchelnd sog sie Luft ein. »Schuld ist ein weiter Begriff, kleine Eule. Du hast keine Ahnung, was du da aufrührst, also mach dich aus dem Staub« – sie wedelte kraftlos mit der Hand durch die Luft – »und flieg weg. Husch!«
    Püppi stürzte zu Fiona, griff ihre Hand und zerrte sie zur Tür. »Hinten hat ein Auto gehalten, sie sind da.«
    Sie ließen Lorinas Wohnungstür einfach offen stehen und rannten die Treppe hinunter. Fiona sprintete vor und zeigte Püppi den hinteren Ausgang, der in den Garten führte, sodass sie nicht über die Straße mussten. Sie liefen durch das Gras, an den gepflegten Blumenbeeten vorbei. Als sie die Hecke erreichten, bückte sich Püppi, faltete die Hände zu einer Räuberleiter und warf Fiona fast über das Gebüsch. Er selbst sprang auf einen Findling und hechtete hinterher. In der Seitenstraße zog er sie vorwärts.
    »Meinen Wagen holen wir später«, rief er ihr zu. Und sie rannten. Fionas Stiefel machten beim Abrollen auf dem Asphalt ein vertrautes Geräusch, ihre Schritte passten sich einander an, und obwohl Fiona bei jedem von Püppis Schritten zwei machen musste, fanden sie einen gemeinsamen Rhythmus und liefen so tief und regelmäßig atmend die Straßen entlang immer weiter, als wüssten sie genau, wohin sie müssten. Fiona hatte keine Ahnung, wo das sein sollte, aber sie wusste genau, dass sie an Püppis Seite in Sicherheit war und dass das Ziel ihrer Suche und der Weg hinaus aus diesem Labyrinth der Fragen und Gefahren die Grinsekatze sein würde.

 
    13 MONIKA UND AXEL
    Es war schon fast dämmrig, als Püppi und Fiona ihr Elternhaus erreichten. Schwer atmend kramte Fiona den Schlüssel aus ihrer Tasche, während Püppi die Grinsekatze anrief, um ihr zu sagen, dass er bei Fiona bleiben würde.
    Sie hatten, noch während sie nebeneinander her liefen, darüber gestritten, ob Fiona sich verstecken würde, aber sie bestand nach wie vor darauf, sich nicht verjagen zu lassen und mit der ganzen Sache ja eigentlich nichts zu tun zu haben.
    »Keine Ahnung, was zwischen der Grinsekatze und Tante Lorina vorgeht, aber das interessiert mich nicht mehr, ich bin mit ihr fertig. Ich überlege nur noch, ob ich sie anzeige oder sie einfach so in ihrer Wohnung verrecken lasse. Und die Sektenidioten sollen sich von mir aus gegenseitig abmetzeln, das ist mir wurst.«
    Offenbar nahm sie weder Lorinas Drohungen ernst noch den Ratschlag der Grinsekatze, sich erst einmal zurückzuziehen.
    Püppi lehnte im Türrahmen und sagte gerade in sein Handy: »Lorina behauptet, es war ein Unfall, und es wäre ihr nur um einen Denkzettel gegangen, deshalb die Sache mit den Haaren … nein, wissen wir nicht, wir mussten dann sehr schnell weg …«, da hörte er Fiona aus dem Flur laut und durchdringend schreien.
    Er ließ das Handy fallen und rannte ihr hinterher.
    Sie kniete vor dem blauen Badezimmer. Die Tür, die sonst immer abgeschlossen war, stand einen Spaltbreit offen. Fiona hielt die Hände vor den Mund gepresst und starrte mit weit aufgerissenen Augen in das Zimmer, das sie seit zwanzig Jahren nicht mehr betreten hatte. Püppi stürzte zu ihr und riss sie in seine Arme. Dann erst sah auch er hinein. Innen leuchtete eine schwache Glühbirne im Spiegelschrank und verbreitete ein trübes Licht. Das Blau der Fliesen wirkte stumpf und wie aufgemalt. Blümchenhandtücher hingen an Haken, ein oranges Playmobil-Boot und eine Flasche Apfelshampoo lagen auf dem Wannenrand. Die Wanne selbst war randvoll mit Blut. Es füllte sogar die in die Fliesen eingelassene Seifenschale, es war über den Wannenrand gelaufen und hatte sich auf den Boden ergossen. Auch im Waschbecken und in der geöffneten Toilette stand Blut. Und alle vier Wände, sogar die Decke, waren mit Spritzmustern bedeckt. Es stank so durchdringend süßlich nach Verwesung, dass Püppi würgen musste. Das Blut war nicht getrocknet, sondern schien zu wabern, ein merkwürdiges Schwappen hielt die Lache auf dem Boden in Bewegung. Püppi starrte irritiert herum, wusste nicht, was er suchte, bis er es entdeckte: Irgendwer hatte den Wasserhahn eine Winzigkeit aufgedreht und so dafür gesorgt, dass die Wanne beständig überfloss, ganz geringfügig nur, es rann über die Fliesen, sammelte sich auf dem Boden und strömte träge in Richtung des Abflusses.
    Püppi umklammerte Fiona

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