Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
nein … Sorge … verschattete seinen Blick. »Tatsächlich?«, sagte er. »Das ist ja großartig. Wunderbar.« Sein Lächeln wirkte aufrichtig. Beinahe.
»Und ich erinnere mich an den Unfall«, fuhr sie fort. »Auf dem Weg hierher, als ich mit Nick im Pick-up saß, bog ein Auto mit eingeschaltetem Fernlicht um die Kurve, und da hatte ich ganz plötzlich den Unfall vor Augen.«
Alex erbleichte unter seiner Sonnenbräune.
»Ein Mann stand auf der Straße«, fuhr sie fort. »Ich saß am Steuer, und ich musste ausweichen, um ihn nicht zu überfahren. Dabei bin ich an die Leitplanke geraten.«
Sie schauderte. Alex nickte ermutigend, doch aus seinem Blick sprach Beklommenheit. »Erzähl weiter.«
»Es war grauenhaft. Ein Alptraum.« Marla presste die Worte zwischen den Zähnen hervor, während sie im Geiste die Szenen jener Nacht vor sich hatte. Die kreischenden Reifen, das reißende Metall, die glatte Straße, das Splittern von Glas. Phil Robertson verzog das Gesicht, als sie den Unfallhergang schilderte. »… Und, ja, endlich erinnere ich mich auch an Pam. Ich weiß zwar nicht viel über sie, kann mich aber erinnern, dass sie und ich … dass wir beide etwas vorhatten … Ich weiß nur nicht, was.«
»Du bist erschöpft«, sagte Alex. »Lass die Sache erst einmal ruhen.«
»Ja, aber ich muss mit Detective Paterno sprechen.«
»Morgen.«
»Ja«, antwortete Marla, plötzlich todmüde. Der Schmerz in ihren Kiefern pochte dumpf, aber sie war mit ihrer Kraft am Ende. »Ich rufe ihn morgen Vormittag an.«
»Weiß Nick, dass du dich an den Unfall erinnert hast?«, fragte Alex. Marla zuckte zusammen und empfand Gewissenbisse, als hätte sie ihren Mann betrogen.
»Ja.«
»Natürlich.«
»Es gibt keinen Grund, es zu verheimlichen.«
»Nein, nein, natürlich nicht«, versicherte Alex, doch sein Lächeln wirkte verkrampft. Er spielte mit dem Schlüsselbund in seiner Tasche. Marla fühlte sich schon wieder leicht benommen, wahrscheinlich von den Schmerzmitteln, und sie war müde … so furchtbar müde. »Können wir jetzt nach Hause fahren?«
»Ich gebe Ihnen noch ein Rezept mit«, sagte Dr.Robertson, zückte einen kleinen Block und begann zu kritzeln. Dann riss er das oberste Blatt ab und reichte es Alex. »Es hilft gegen die Schmerzen, aber es macht auch ein wenig müde.« Der Arzt notierte sich noch etwas und schob den Zettel in eine dicke braune Akte.
Ihre Krankenakte. Sie enthielt alle Informationen über sie, die sie brauchte. Einen großen Teil des Puzzles, das sie zusammensetzen musste, um herauszufinden, wer sie war. »Darf ich die mal anschauen?«, bat sie.
»Was?«, fragte Dr.Robertson.
»Die Akte.«
»Sie enthält nichts als medizinische Informationen.« Der Arzt sah sie zwar recht freundlich an, doch irgendetwas verbarg sich hinter seinem aalglatten Äußeren … Es war beinahe, als würde er sie bevormunden. O Gott, sie brauchte dringend Schlaf.
»Über mich«, ergänzte sie und streckte die Hand aus. »Es ist doch meine Akte, oder?«
»Meinst du nicht, dass du für heute genug erlebt hast?«, mischte Alex sich ein und bedeutete dem Arzt mit einem Wink, die Akte wegzuräumen.
»Aber ich will wissen …«
»Marla, ein anderes Mal, okay?« Alex’ Tonfall reizte sie. »Es ist spät. Du musst nach Hause und dich ausruhen. Das hast du doch auch gesagt.«
»Ich weiß selbst, was ich muss«, entgegnete sie und stand von der Untersuchungsliege auf. »Und zwar muss ich mehr über mich erfahren. Über dich. Über unsere Familie. Es fängt ja schon an, Alex. Ich beginne tatsächlich, mich zu erinnern, und ich werde alles, alles tun, um den Prozess zu beschleunigen.«
»Ich verstehe …«
»Ach ja?«, fuhr sie ihn an und warf dann dem Arzt einen bösen Blick zu. » Und Sie wohl auch? «
»Herrgott, Marla, hör auf. Phil ist uns zu Gefallen mitten in der Nacht hergekommen, weil du nicht ins Krankenhaus wolltest. Er hat auch eine Familie, die zu Hause auf ihn wartet.«
Robertson ließ seinen Kugelschreiber klicken und steckte ihn in die Brusttasche. »Schon gut«, sagte er, überließ Marla die Akte jedoch nicht. »Erzählen Sie mir, woran Sie sich noch erinnern«, forderte er sie auf, die Krankenakte mit verschränkten Armen an die Brust gedrückt. Marla erkannte, dass es ihr nicht gelingen würde, die verdammte Akte an diesem Abend noch in die Finger zu bekommen.
»Abgesehen von dem Unfall und James’ Geburt erinnere ich mich nur an kleinere Begebenheiten. Ans Reiten, an ein Partykleid, an
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