Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
plötzlich um eine Kurve bog? War sie verwirrt? Ihre Erinnerung verzerrt? Ihr Kopf dröhnte, ihre Kiefer schmerzten.
Das Bild in ihrem Kopf war deutlich. Ein Mann hatte auf der Straße gestanden. Eine dunkle Gestalt im hellen Licht ihrer Scheinwerfer, und dann war er – so plötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt – in Licht getaucht, in grelles, schmerzhaft blendendes Licht … so hell, dass sie nichts mehr sehen konnte … Und sie hatte das Steuer herumgerissen, im selben Moment, als der Laster um die Kurve bog und den Mann im Scheinwerferlicht einfing.
Jetzt, sicher und geschützt in Nicks Armen, atmete Marla tief durch. Ihr wurde bewusst, wie sie sich verzweifelt an Nicks Jacke festklammerte, und langsam löste sie die Finger und versuchte, von ihm abzurücken. Starke Arme hielten sie fest. »Schon gut«, sprach er beruhigend auf sie ein. »Also, was ist los? Sag mir, was passiert ist.«
»Bitte … lass mich los.«
»Willst du das?«, fragte Nick leise, und sie blickte in seine Augen, die so dunkel waren wie die Nacht. Irgendwo tief in ihrem Inneren regte sich etwas, ein Verlangen, ein Bedürfnis nach Nähe, doch sie schluckte krampfhaft und nickte.
»Ja.«
Er lockerte seinen Griff, und Marla entzog sich ihm. Sie lehnte sich in den Sitz zurück und ignorierte das Gefühl seiner Berührung, das sie noch immer auf der Haut spürte, seinen Moschusduft, ihre Sehnsucht nach seinen kräftigen Armen. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, ihr Herz hämmerte und ihre Nerven vibrierten unter dem Ansturm von Millionen widersprüchlicher Gefühle.
»Was ich will?«, sagte sie langsam. »Ich will mein Leben zurück. Wie auch immer es sein mag.« Sie blickte aus dem Seitenfenster, sah, wie sich die Regentropfen in Rinnsalen einen Weg über die Scheibe suchten. »Eben gerade habe ich mich endlich an den Unfall erinnert. Ich saß am Steuer, ich glaube, Pam und ich haben uns unterhalten und gelacht, und dann nahm ich eine Kurve, und auf der Gegenfahrbahn kam ein Laster den Berg herunter, aber das war es nicht, da war noch mehr. Ich glaube, da war ein Mann auf der Straße. Und er … er stand plötzlich in taghellem Licht.« Sie rieb sich die Arme, fror bis in die Knochen. »Und dann ist der Laster ins Schleudern geraten, und mein Wagen prallte gegen die Leitplanke, und dann … und dann …« Sie schloss fest die Augen; die Erinnerung war zu grausig.
»Herrgott, Marla, du brauchst nicht so verdammt stark zu sein. Es ist schon verständlich, wenn es dich umhaut.« Nick drückte sie wieder an sich. Sie spürte seinen Atem in ihrem Haar.
»Nein, das darf ich nicht zulassen.«
»Lass dich einfach gehen.«
Ihre Kehle schnürte sich zu, und sie hörte auf zu kämpfen, ließ sich gegen ihn sinken.
»So ist es gut. Erzähl mir alles.«
»Ich habe die Kontrolle über den Wagen verloren. Und Pam ist ums Leben gekommen.« Marla schluckte, überzeugt, dass sie bis an ihr Lebensende die schrecklichen, gequälten Todesschreie hören würde. »Ich … ich sollte das nicht tun«, sagte sie, unternahm jedoch keinen Versuch, sich aus seiner Umarmung zu lösen.
»Entspann dich einfach.«
Sie lachte freudlos. »Ist das möglich?«
»Vielleicht nicht. Versuch es trotzdem.« Er zog ihren Kopf an seine Halsgrube, und seine Haut fühlte sich warm an. Schließlich gab Marla den Kampf auf. Sie schloss die Augen, hörte den kräftigen, regelmäßigen Schlag seines Herzens und schmiegte sich an ihn. Während er mit den Daumen ihre Arme rieb, stellte sie sich vor, ihn auf den Mund zu küssen, ihn an verbotenen Stellen zu berühren, nackt bei ihm zu liegen … Verdammt, sie durfte sich solche verderbten Gedanken nicht gestatten! Minuten verstrichen. Ein Auto fuhr langsam vorbei und verschwand am Ende der engen Straße. Aus dem Schatten sprang eine Katze auf den Kühler des Pick-ups und tauchte dann wieder in die Nacht ein.
»Also«, sagte Nick, und sein Atem war warm in ihrem Haar. »Komm erst einmal zur Ruhe. Lass dir Zeit. Denk nach.« Dann ließ er sie langsam los, als würde ihm bewusst, was er tat. »Versuch dich zu erinnern, aber setz dich nicht zu sehr unter Druck.«
Sie nickte, fühlte sich plötzlich allein, als sie sich im Sitz zurücklehnte und darauf wartete, dass ihr rasender Puls sich beruhigte. »Es kommt zurück. O Gott, Nick, es kommt alles zurück.«
»Du erinnerst dich an Pam?«
»Ja.« Sie nickte. »Aber nicht als enge Freundin, nein … Sie war eher eine Zufallsbekanntschaft, und wir fuhren
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