Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
nach Süden, um … um …«
»Um ihre Tochter zu besuchen?«, half Nick nach. »An der Universität?«
»Kann sein, ich weiß es nicht.« Marla dachte angestrengt nach. »Wir hatten einen bestimmten Grund, aber …« Ein Frösteln, kalt wie der Tod, erfasste sie. »Ich glaube, es hatte etwas mit dem Baby zu tun.«
»James.«
»Ja.«
»Aber du hattest ihn nicht bei dir.«
»Nein … Vielleicht haben wir über ihn gesprochen, aber …« Tief im Herzen spürte sie, dass mehr dahintersteckte, doch sie konnte nicht benennen, was es war. »Ich weiß es nicht«, gestand sie.
»Es wird dir wieder einfallen.« Nick warf einen Blick auf die Uhr. »Wir sollten jetzt besser weiterfahren.« Er schaute sie noch einmal prüfend an, ehe er rückwärts aus der Lücke setzte und den ersten Gang einlegte. »Geht es dir besser?«
»Ich weiß nicht«, gab Marla zu und lachte kurz und trocken. »Ich weiß gar nicht mehr, was ›besser‹ überhaupt ist.«
»Vielleicht weiß das keiner von uns so genau.« Nick fädelte den Pick-up in den Verkehrsstrom in Richtung Küste ein.
»Ja, vielleicht.« Marla straffte die Schultern und wagte einen letzten Blick auf sein kräftiges Profil. Er sah geradeaus auf die Straße, beide Hände am Steuer, und sie schämte sich, weil sie ahnte, dass sie ihm in diesem Moment näher war, als sie ihrem Mann jemals gekommen sein konnte. Verzweifelt rieb sie sich die Stirn.
»Ich glaube, ich habe mich noch nicht einmal bedankt.« Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Du weißt schon, dafür, dass du mir das Leben gerettet hast, eben zu Hause. Ich hätte sterben können.«
»Ich habe getan, was getan werden musste.«
»Tja, ich bin dir was schuldig. Wahrscheinlich sogar eine ganze Menge.«
»Ich rechne nicht auf.«
»Vielleicht solltest du das tun.«
»Es würde nicht viel nutzen«, entgegnete Nick und bog in ein Parkhaus ein, das durch eine Überführung mit dem Bayview Hospital und den Kliniken der Umgebung verbunden war. Im Erdgeschoss, neben einem Cadillac, stand Alex’ Jaguar mit laufendem Motor.
Als Alex den Pick-up entdeckte, sprang er aus dem Wagen und war mit drei großen Schritten an der Beifahrertür.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er Marla mit besorgter Miene, als sie ausstieg. Durch die offene Tür sah er Nick an, der noch am Steuer saß. »Was zum Teufel ist passiert?«
»Lass es dir von Marla erklären.«
»Du fährst gleich wieder?«, fragte Alex, legte seiner Frau mit einer selbstverständlichen Geste den Arm um die Schultern und drückte sie leicht an sich.
Nick presste die Lippen zusammen. »Ja. Ich nehme an, jetzt kannst du übernehmen.« Er suchte noch einmal Marlas Blick, und ihr Puls begann zu rasen, als sie daran dachte, dass sie ihn beinahe geküsst hätte.
»Bis später dann«, sagte Nick. Plötzlich hatte Marla das Gefühl, verlassen zu werden. Aber das war albern. Dumm. Irrational. Alex war ihr Mann. Dass Nick ihr das Leben gerettet hatte, brauchte nichts Großartiges zu bedeuten. Das hätte er für jeden anderen auch getan. Und die Szene im Pick-up hatte sich aus der Situation ergeben, aus den sich überstürzenden Ereignissen des Abends. Sonst war da nichts … oder?
Nicks Blick ruhte immer noch auf Marla. Mitternachtsblaue Augen bannten ihre einen Herzschlag lang, dann wandte er sich seinem Bruder zu. »Du hast wohl recht, Alex. Da ich nun einmal in San Francisco bin, kann ich auch zu Hause wohnen.«
»Woher der plötzliche Sinneswandel?«, fragte Alex, während Marla sich vorzustellen versuchte, wie es sein würde, mit ihrem abtrünnigen Schwager unter einem Dach zu leben.
Nick setzte ein strahlendes Lächeln auf, bei dem seine regelmäßigen Zähne aufblitzten, und log: »Ich finde einfach, es ist an der Zeit.«
11.
H ier, das hilft gegen die Schmerzen«, sagte Dr.Robertson, gab Marla eine Injektion und entsorgte die Nadel. Er trug ein Sportsakko und eine Freizeithose, und seine Augen hinter der Brille blickten ernst, während er ihren Mund und den Kiefer untersuchte. Um diese späte Stunde war es still in der Klinik, der Tagdienst war schon vor Stunden gegangen. Leuchtstoffröhren summten an der Decke und spiegelten sich grell in den Chromarmaturen des Waschbeckens und den blitzenden Instrumenten auf einem Tisch mit makellos sauberer Platte. »Erzählen Sie mir doch bitte, was passiert ist.«
Marla saß auf einer mit Papier abgedeckten Liege. Ihr Puls beruhigte sich allmählich. Sie hatte immer noch einen üblen Geschmack in Mund und
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