Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
des Herrn sind unergründlich«, gab Marla zurück, woraufhin Cherises Lächeln gefror und Reverend Donald die Augenbrauen hochzog. Doch das war Marla gleichgültig.
»Kommt doch mit ins Wohnzimmer, dort können wir uns unterhalten.« Marla ging voran, und alle drei ließen sich im Wohnzimmer auf der Polstergarnitur nieder. Carmen brachte unaufgefordert ein Tablett mit Teegeschirr und Gebäck. »MrsEugenia hat erwähnt, dass Sie Gäste erwarten«, erklärte sie und schenkte Tee ein. »Sie kommt in ein paar Minuten herunter.«
Marlas Herzschlag stockte. Wenn ihre Schwiegermutter aufgestanden war, konnte sie, Marla, nicht gut ins Büro ihres Mannes eindringen, um Alex’ Schreibtisch und die Dateien auf seinem Computer zu durchsuchen.
»Du hast wahrscheinlich schon von Alex und Nick gehört, dass wir versucht haben, dich zu erreichen«, sagte Cherise. Sie saß neben ihrem Mann auf einem Zweiersofa und gab Süßstoff in ihre Tasse, dann zupfte sie den Saum ihres kurzen schwarzen Pullovers zurecht. Sie war eine attraktive Frau, die gerade erst zu altern begann, hatte blondes Haar, einen blassen Teint und geschminkte Lippen, deren Rot zu dem des Nagellacks passte.
»Nick hat erwähnt, dass du angerufen hast«, gab Marla zu.
»Ich wollte unbedingt wissen, wie es dir geht, aber Alex hat nicht zugelassen, dass wir dich im Krankenhaus besuchen …« Cherise fing einen Blick ihres Mannes auf und verstummte.
Donald lehnte sich ins Polster zurück, als beabsichtigte er, länger zu bleiben. Womöglich gar aus der Bibel vorzulesen. »Wie geht es dir?«
»Besser.«
»Du hast schwere Zeiten hinter dir«, bemerkte Donald, und trotz seiner Freundlichkeit glaubte Marla, eine Spur Herablassung aus seinen Worten herauszuhören.
»Es geht schon wieder«, versicherte Marla.
»Aber wie ich hörte, leidest du unter einer Art Gedächtnisverlust«, ergriff Cherise das Wort. »Doch sicher nur vorübergehend, oder?«
»Das hoffe ich.«
»Wir beten für dich«, versprach Cherise ernsthaft.
Ihr Mann nickte. »Vielleicht sollten wir einander jetzt die Hände reichen und den Vater im Himmel um Vergebung und Führung bitten?«
Cherise stellte ihre Tasse ab und griff nach Marlas Hand. Donald folgte ihrem Beispiel, doch bevor er anfangen konnte zu beten, kam Eugenia herein, Coco auf den Fersen. Sie trug ein tristes graues Kostüm, das zu ihrer Miene passte. Der Schlüsselring in Marlas Tasche schien plötzlich zentnerschwer. Der Hund knurrte leise und nahm dann seinen Platz hinter Eugenias Lieblingssessel ein.
»Cherise. Donald«, begrüßte Eugenia die Besucher, ohne zu lächeln.
»Tante Genie!« Cherise sprang auf und umarmte die zierliche alte Dame.
»Wie geht es euch?«, fragte Eugenia tonlos, als Cherise strahlend von ihr abließ.
»Schon viel besser, jetzt da wir Marla gesehen haben. Wir – Monty und ich – waren krank vor Sorge. Ich musste sie unbedingt sehen. Ich wollte, Monty wäre mitgekommen, aber er hatte heute zu viel zu tun, und ich wusste nicht, wann sich noch einmal die Gelegenheit bieten würde«, erklärte Cherise und setzte sich wieder, während Eugenia in ihrem Lehnsessel Platz nahm und mit einer Hand den kleinen Hund zwischen den Ohren kraulte.
Cherise breitete wie beschwörend die Hände aus. »Seht mal, in dieser Familie gab es böses Blut, und das schon seit Generationen, wie wir alle wissen. Aber es ist an der Zeit, dem ein Ende zu setzen. Also, als ich hörte, dass Marla beinahe ums Leben gekommen wäre, … da bin ich auf die Knie gesunken und habe gebetet. Derartige Ereignisse öffnen einem die Augen für das, worauf es im Leben ankommt.«
Donald ließ die gefalteten Hände zwischen seine Knie sinken. An der Linken trug er einen breiten Goldring – stolzes Zeugnis dafür, dass er ein verheirateter Mann war –, an der Rechten eine Art Siegelring, und am kleinen Finger funkelte ein großer Diamant. »Cherise und ich sind der Meinung, dass die Familie jetzt die Gelegenheit hat zusammenzuwachsen. Wenn das Schicksal zuschlägt – oder beinahe zuschlägt –, ist es wichtig, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und nach vorn zu blicken. Sich von Gott führen zu lassen und auf seinen Pfaden zu wandeln, ihm für all die Gnade zu danken, die er über uns ausschüttet.« Donalds Lächeln wirkte heiter und gelassen und verdammt künstlich.
Cherise drückte Marlas Hand. »Du und ich, wir waren uns immer sehr nahe. Ich habe in dir stets mehr eine Schwester gesehen als eine Cousine oder bloße
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