Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
doch Paterno vermutete, dass der Bursche lediglich Kohle witterte.
Und warum war die stinkreiche Marla mit Leuten befreundet, die doch offenbar nicht in ihre gesellschaftlichen Kreise passten? Noch einmal überflog Paterno die Informationen über Pam. Angeblich war sie Mitglied im selben Tennisclub gewesen wie die Cahills, doch dafür fand Paterno keine Belege. Jedenfalls war sie schwer einzuschätzen. Sie besaß einen juristischen Titel, den sie nicht führte, wenngleich sie einmal eine Zeitlang als Familienanwältin praktiziert hatte. Als ihre Ehe zerbrach, nahm sie den Beruf der Anwältin nicht wieder auf, sondern fing an, sich in Sausalito als Immobilienmaklerin zu betätigen.
Warum?
Er nahm die Seiten aus seinem Farbdrucker und betrachtete die Bilder von Pam Delacroix … oder war sie Marla Cahill? War bei der Identifizierung ein Fehler unterlaufen? Konnte die Polizei am Unfallort sich einen derartigen Patzer geleistet haben? Die Frau hatte ihren Ausweis bei sich getragen, ihr Exmann hatte die Leiche identifiziert.
Dann die Geschichte mit Marla Cahill, die zum Zeitpunkt des Unfalls noch das Namensarmband aus dem Krankenhaus getragen hatte. Und auch wenn sie an einer Amnesie litt – würden ihr Mann und ihre Schwiegermutter denn nicht merken, dass sie nicht die war, für die sie gehalten wurde? Sie konnte doch nicht die ganze Welt hinters Licht führen, verdammt! Es gab körperliche Merkmale und Angewohnheiten, Sprechweisen … Es sei denn, alle anderen waren eingeweiht.
Eine Verschwörung.
Herrgott, seine Gedankengänge waren eines Oliver Stone würdig. Paterno schnaubte verächtlich über seine eigenen Verirrungen. Hier bestand kein Grund für Spekulationen. Es war an der Zeit, sich noch einmal mit den Tatsachen zu beschäftigen. Mit den Blutgruppen würde er anfangen.
Der kleine James schrie, und Marla, die wieder verschlafen hatte, sprang aus dem Bett. Sekunden später war sie im Kinderzimmer, hob das Baby aus der Wiege und drückte es an sich. »Ist ja gut«, sagte sie automatisch und schmuste ein Weilchen mit dem Säugling, bevor sie ihm die Windeln wechselte. Sie atmete den süßen Babyduft ein, während sie ihm den Schlafanzug auszog und zusah, wie er mit den Beinchen strampelte. »Du bist unglaublich süß, und das weißt du auch, nicht wahr?«
Seine kleinen Fäuste zuckten, er gurrte.
»O ja, James, du wirst bestimmt ein schlimmer Herzensbrecher.« Sie hatte ihn gerade frisch angezogen, als Fiona mit dem Fläschchen erschien. »Das übernehme ich«, sagte Marla energisch, und während das Kindermädchen das Zimmer aufräumte, setzte sie sich in den Schaukelstuhl und fütterte leise summend das Kind. Es trank gierig, hielt nur hin und wieder inne, um sie anzusehen. »Ich weiß, ich weiß, wenn du mich anschaust, wünschst du dir, du wärest ein Adoptivkind, nicht wahr?« Marla zwinkerte ihm zu. Als er schließlich satt war, stellte sie die fast leere Flasche ab und legte sich den Säugling an die Schulter, damit er sein Bäuerchen machen konnte.
»Er ist ein liebes Kind«, sagte Fiona, während sie eine Decke faltete und über das Fußende der Wiege legte. »Ich habe schon andere versorgt, die nicht annähernd so brav waren wie Ihr kleiner James.« Sie zögerte. »Cissy … Nun, ich könnte mir vorstellen, dass sie als Baby ziemlich anstrengend gewesen ist.«
Wenn ich mich nur erinnern könnte.
»Sie ist ein eigensinniges Mädchen«, fügte Fiona hinzu. »Damit wird sie sich noch selbst in Schwierigkeiten bringen.« Mit leichtem Stirnrunzeln nahm sie das Fläschchen entgegen, als sei ihr bewusst geworden, dass sie zu weit gegangen war. »Nicht, dass es mich etwas angeht. Und jetzt bringe ich den kleinen Kerl nach unten in sein Laufställchen«, sagte sie, und Marla erhob keine Einwände.
Marla fühlte sich so gut wie seit Tagen nicht mehr, ihr Kopf war klarer, ihr Körper kräftiger. Instinktiv wusste sie, dass sie ein vertrautes Verhältnis zu dem Baby entwickeln würde. Bei ihrer Tochter hingegen galt es größere Schäden zu beheben. Cissy starrte sie noch immer an, als sei Marla einem Raumschiff vom Mars entstiegen.
Marla nahm sich die Zeit, zu duschen und sich umzukleiden, dann beschloss sie, sich den Computer noch einmal vorzunehmen und die Namen im Adressverzeichnis zu studieren. Aber dazu kam sie nicht.
Alex’ Zimmer war abgeschlossen. Genauso wie beim letzten Mal, als sie versuchte hatte, die Tür zu öffnen. Wollte er Eindringlinge fernhalten? Oder verbarg er Geheimnisse,
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