Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
die niemand, schon gar nicht seine Frau, erfahren durfte?
Das Wohlgefühl, das sie empfunden hatte, als sie ihr Baby im Arm hielt, verflüchtigte sich.
Marla öffnete die Tür zu Cissys Zimmer. Es war leer, das Licht ausgeschaltet, ordentlicher, als sie es je gesehen hatte. Zweifellos hatte das Hausmädchen aufgeräumt, während ihre Tochter in der Schule war. Marla überkamen Gewissensbisse. Als Mutter hätte sie früher aufstehen, Cissy begrüßen, ihre Hausaufgaben nachsehen und fragen müssen, ob sie frische Sachen für den Sportunterricht benötigte. Sie hätte nach ihren Plänen für den Nachmittag fragen und sie zur Schule bringen sollen, genauso, wie sie ihr Baby schon vor seinem Morgenschläfchen hätte füttern und wickeln müssen.
Aber du hast für all diese Aufgaben Personal.
Trotzdem machte sie sich Gedanken. Joannas Besuch lief vor ihrem geistigen Auge noch einmal ab … Du hattest ohnehin immer viel mehr Verehrer, als gut für dich war … Ehrlich gesagt, ich entsinne mich nicht, dass du Pam je erwähnt hättest … Was ist denn aus deinem Ring geworden?
Marla blieb auf dem Treppenabsatz stehen und blickte über das Geländer in die Eingangshalle zwei Etagen tiefer hinunter. Aus der Küche hörte sie leise Stimmen und das Klappern von Töpfen. In der Eingangshalle tickte die Uhr. Abgesehen davon war es still im Haus, kein Klacken von Eugenias Absätzen auf dem Holzfußboden, kein Bellen des misstrauischen kleinen Hundes, keine klassische Musik aus verborgenen Lautsprechern.
Abgesehen vom Personal und vom Baby war sie allein. Sie ging durch den Flur zum Büro und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war abgeschlossen. Ohne Schlüssel erhielt niemand Zutritt zu Alex’ Schlafzimmer, Trainingsraum oder Büro. Er hatte alle ausgesperrt.
Aber warum? Wovor hatte er Angst? Dass jemand vom Personal in seinen Sachen stöberte? Oder hatte er etwas zu verbergen? Aber wie konnte das Hausmädchen sauber machen, wenn der Zutritt zu seinen Räumen verwehrt war? Verbarg er etwas vor dem Personal? Oder vor seiner Mutter? Oder vor ihr?
Marlas Hand lag auf dem Türknauf. Sie versuchte erneut, ihn zu drehen, aber vergebens. Sie drückte sogar die Schulter gegen die Türfüllung in der Hoffnung, das Schloss könnte doch noch nachgeben, aber nichts rührte sich.
Die Tür ist deinetwegen verschlossen, Marla, das weißt du doch. Es hat ihm nicht gefallen, dass du in seinem Schreibtisch spioniert hast. Er traut dir nicht. Du spürst es doch längst. Sie ging zurück in ihr Zimmer und betrachtete ihr Bett, in dem sie getrennt von Alex schlief. Das alles hat irgendwie mit Nick und deinen Gefühlen für ihn zu tun. Ihre Kehle schnürte sich zu, und auch wenn sie diese Gefühle leugnen wollte, erhaschte sie doch einen flüchtigen Blick auf die Frau, die sie einmal gewesen war.
Was hatte Joanna gesagt? Du warst immer … na ja, du hast immer schon Männerblicke auf dich gezogen.
Joanna hatte manches gesagt, was Marla beunruhigte. Wo war dieser verdammte Ring, von dem Joanna gesprochen hatte? Das Geschenk von Marlas Vater. Bei dem Gedanken an Conrad Amhurst legte sich ein düsteres Bleigewicht auf ihr Herz, ein Schmerz, den sie nicht verstand. Sie erinnerte sich nicht an den Mann, und doch war sie sich sicher, dass ihre Beziehung zu ihm alles andere als liebevoll gewesen sein musste. Vielleicht waren sie einander sogar entfremdet.
Warum hatte sie dann den Ring getragen?
Und noch viel wichtiger: Wo war er? In ihrem Zimmer? In Pams zu Schrott gefahrenem Mercedes? In irgendeinem Safe eingeschlossen? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: Sie musste das verdammte Ding suchen. Sie begann im Bad und im Schmuckkästchen auf der Ablage. Kein Ring. Sie durchsuchte den Nachttisch und jede Schublade ihres Sekretärs. Nichts. »Denk nach, Marla, denk nach«, flüsterte sie und betrat den begehbaren Kleiderschrank in der Hoffnung, das Versteck ihres Lieblingsschmucks zu finden, doch da war nichts.
Vielleicht hatte Alex ihn an sich genommen, als sie ins Krankenhaus kam.
Aber den Ehering hat er dir nicht abnehmen lassen?
Noch einmal ließ sie den Blick über den Inhalt des Kleiderschranks wandern und stutzte, als sie das Futteral ihres Tennisschlägers entdeckte. Vielleicht befand sich der Ring darin. Sie öffnete den Reißverschluss der Lederhülle, durchsuchte die flache Seitentasche, fand jedoch nichts außer einer Kreditkartenquittung von einem Geschäft in der Stadt.
Sie schob den Beleg in ihre Tasche, zog den
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