Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
Unwetter, wie er hätte sein sollen.
„Du konntest es nicht kontrollieren“, erklärte er. „Es hat dir keinen Nutzen gebracht. Solange du nicht die kleinen Dinge gemeistert hast, wirst du die großen nie beherrschen. Sondern sie dich.“
Er wirkte nicht verärgert; er legte einfach seine übliche unendliche Geduld und fröhliche Art an den Tag. Da er immer noch von allen Menschensachen entzückt war, wollte er, dass wir ihn in die Stadt brachten und mit ihm ausginge n – am besten dort, wo es die zuvor erwähnten Frauen mit verminderten Hemmungen gab. In der Überlegung, dass eine Autofahrt buchstäblich sein Tod gewesen wäre, ließen wir stattdessen Pizza kommen.
Das war eindeutig eine Enttäuschung für ihn, aber er ließ sich das Essen trotzdem schmecken. Er konnte sich an allem erfreuen, wurde mir klar. Na j a – außer in den extremen Momenten der Langeweile, die ihn zu plagen schien, aber selbst dann schaffte er es noch, etwas Witziges zu finden. Ich kannte nicht viele Leute, die so drauf waren.
Ich sah ihn in dieser Woche noch ein zweites Mal, und zwar bei ihm. Er ließ mich das öde Wasserexperiment fünfmal wiederholen, aber es führte immer zu exakt demselben Ergebnis. Wenigstens rief ich diesmal keine Unwetter herbei. Als ich ihn fragte, ob wir nächstes Mal etwas anderes machen könnten, lachte er und schickte mich nach Hause.
Am Tag vor Dorians Ball brachte ich den Mut auf, etwas zu tun, das ich mir schon lange vorgenommen hatte: Will Delaney besuchen.
Er hinterließ noch immer alle paar Tage Nachrichten bei Lara, aber das war es nicht, was mich dazu brachte, erneut mit ihm zu sprechen. Seit dem Besuch meiner Mutter hatte ich das Bild nicht mehr abschütteln können, wie sie verzweifelt und verlassen auf dem Schloss des Sturmkönigs eingesperrt gewesen war. Der Schmerz, den ich dabei spürte, übertrug sich auf meine Vorstellung von Jasmine, und, ganz egal, wie sehr sich die Kleine dagegen gewehrt hatte mitzukommen, sie war doch immer noch ein Opfer. Ich wollte etwas unternehmen, ganz egal was, hatte aber nach dem Reinfall vom letzten Mal keine Ahnung, wo ich anfangen oder was ich überhaupt tun sollte. Mit Will zu reden, schien einigermaßen vernünftig.
Kiyo kam mit. Da sein armer Spider aus dem Verkehr gezogen war, fuhr er mich in seinem Leihwagen dorthin. Es handelte sich um einen brandneuen Toyota Camry, den ich ganz nett fand, der ihm aber offensichtlich einigen Kummer bereitete.
Als wir bei Will klingelten, war von ihm nichts zu hören.
„Bist du sicher, dass er zu Hause ist?“, fragte Kiyo.
„Ja. Ich glaube, er geht nie weg. Wahrscheinlich macht er gerade ein Wärmebild von uns oder so.“
Kiyo sah mich verdutzt an.
„Wirst du gleich sehen.“
Einen Moment später hörte ich unzählige Schlösser und Riegel aufgehen, und Wills Gesicht tauchte im Türspalt auf.
„Du lieber Gott“, entfuhr es ihm, und seine Miene hellte sich auf. „Sie sind zurück. Moment. Wer ist das?“
„Ein Freund. Nun lassen Sie uns rein.“
Will sah Kiyo zögernd an und machte die Tür schließlich weiter auf. Als wir hineingingen, sagte mir Kiyos Gesichtsausdruck, dass er exakt dieselbe Reaktion auf Wills Räuberhöhle durchmachte wie ich damals. Vor allem eine Zeitschrift auf einem Beistelltisch hatte es ihm angetan. Die größte Schlagzeile lautete: Sie verfolgen uns mitHilfe unserer DNS ! Draussen immer ein Haarnetz tragen!
„Ich wusste, dass Sie wieder vernünftig werden würden“, plapperte Will. „Wann gehen wir dorthin zurück?“
„Ich wüsste gar nicht, dass wir wieder dorthin zurückgehen, Will.“
„Aber waru m … “
Ich hob die Hand, damit er aufhörte. „Ich möchte mich bloß mit Ihnen unterhalten, das ist alles.“
Das ernüchterte ihn, aber er nickte und ging zum Kühlschrank. „Möchten Sie etwas zu trinken?“
„Gern. Was haben Sie denn?“
Er öffnete den Kühlschrank. Darin standen ungefähr zehn Flaschen Wasser, deren Etiketten es als mikrobiologisch unbedenklich und nicht strahlenbelastet auswiesen.
„Wasser“, sagte er. „Die meisten Erfrischungsgetränke sind voll mi t … “
„Wasser ist gut.“
Er goss drei Gläser ein, und wir setzten uns. Er sah mich erwartungsvoll an.
„Ich möchte gern mehr über Jasmine wissen“, erklärte ich. „Falls es uns noch einmal möglich sein sollte, dorthin zurückzukehre n … “ Wieder stand mir dieses blasse Gesicht vor Augen. Ich schluckte. „… dann nutzt das wenig, wenn sie überhaupt nicht dort
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