Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
bleiben. Und doch – irgendwie durchdrangen Kiyos Worte all diesen Hass, all diese Wut. Willst du so etwas über dein Volk bringen? Ihm so etwas antun?
Ich starrte Leith an, endlose Sekunden lang. Und dann, ganz langsam, ließ der Sturm nach. Keine Blitze mehr. Der Wind legte sich. Die Wolken lösten sich auf. Der Luftdruck stieg auf ein ähnliches Niveau, wie es draußen herrschte. Leith holte erleichtert Luft, und mir fiel auf, wie sehr mein Atem nach der Ausübung einer solchen Macht zitterte.
»Nein«, sagte ich leise und spürte, wie die Energie aus mir hinausströmte. Ich war müde. Dermaßen müde. »Ich will keinen Krieg. Ich … ich darf so etwas nicht entfesseln.«
Dann sagte zum ersten Mal Dorian etwas.
»Ich schon.«
Und bevor noch irgendjemand wusste, was los war, kam er mit schnellen Schritten durch die Küche. Sein Schwert flog aus der Scheide, ein Gleißen, das den Tod verhieß, und er stieß es Leith tief in den Leib. Der Vogelbeerprinz erstarrte und riss die Augen auf, und Dorian trieb ihm die Klinge noch tiefer in den Bauch.
Die Zeit stand still. Ich glaube nicht, dass irgendjemand wirklich fassen konnte, was sich da vor unseren Augen abspielte – außer Dorian natürlich. Dann riss er sein Schwert in einer heftigen, schnellen Bewegung wieder heraus. Leith fiel tot zu Boden. Erst jetzt begriff ich, dass Dorian das neue Schwert mit der Eisenspitze in der Hand hielt, Girards Arbeit. Blut ergoss sich aus der Wunde und aus Leiths’ Mund. Es war hundertmal schlimmer als die Schweinerei, die Art hinterlassen hatte, und während die dunkelrote Flüssigkeit sich immer weiter ausbreitete, kam mir das bizarre Bild einer aufblühenden Rose in den Kopf. Ich fragte mich, ob ich gleich ohnmächtig werden würde.
Kiyo stürzte nach vorn, als könnte er Leith noch retten, aber wir wussten alle, dass es zu spät war. Der Prinz war längst tot. Wütend fuhr Kiyo zu Dorian herum. »Was habt Ihr getan?«
Dorians Gesicht war ruhig, seine Stimme gelassen, als er das Schwert blutig, wie es war, in die Scheide zurückschob. »Das, was du hättest tun sollen.«
Kiyo starrte Dorian an, der seinen Blick kühl erwiderte. Auf Kiyos Gesicht spiegelten sich alle möglichen Emotionen wider: Empörung, Fassungslosigkeit, Angst. »Ihr habt keine Vorstellung, was Ihr angerichtet habt … was Ihr entfesselt habt … und sie muss es ausbaden …«
Dorian sah auf Leiths’ leblosen Körper hinab, dann zu Art, dann wieder zu Leith. Seine verächtliche Miene zeigte deutlich, wie wenig sie für ihn zählten. In seinen Augen waren sie es nicht einmal wert, dass er sie beachtete, sie überhaupt wahrnahm. Er sah wieder zu Kiyo.
»Ich weiß, was ich getan habe. Und glaubst du im Ernst, ich würde sie wirklich im Stich lassen, was die Konsequenzen betrifft? Sie damit allein lassen? Abgesehen davon …« Ein trockenes Grinsen huschte über sein Gesicht. »Ich bin derjenige, der es getan hat. Ich bin es, gegen den Katrice ziehen wird.«
Kiyo schüttelte den Kopf. »Nein. Sie wird gegen Euch beide ziehen. Ihr hättet das nicht tun sollen.«
Nach einer halben Ewigkeit fand ich endlich meine Stimme wieder. Ich befeuchtete meine Lippen, versuchte zu sprechen. »Vielleicht … vielleicht doch«, flüsterte ich.
Stille senkte sich schwer und drückend herab. Kiyo sah mich an … keine Ahnung, wie. »Du stehst unter Schock. Du weißt nicht, was du sagst. Wir bringen dich und die Mädchen zurück in die Anderswelt. Art hat bestimmt Unterlagen, aus denen hervorgeht, wohin die Übrigen geschafft worden sind.«
Ich sah zwischen ihm und Dorian hin und her. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass ich alle Männer hasste; aber in diesem Moment konnte ich es nicht ertragen, mit dem einen oder dem anderen zusammen zu sein, obwohl ich sie beide liebte. Außerdem wollte ich jetzt gerade auf gar keinen Fall etwas mit der Anderswelt zu tun haben. Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Bringt ihr die Mädchen zurück … Ich komme nicht mit.«
Dorian zog eine Braue hoch. »Was wirst du dann tun?«
Ich drehte mich zum ersten Mal seit einer ganzen Weile zu Roland um. Er hatte immer noch seine Waffe gezogen, aber den Lauf inzwischen zu Boden gerichtet. Er war die ganze Zeit über bereit zum Angriff gewesen, hatte aber den beiden anderen Männern die Initiative überlassen. Später würde ich herausfinden müssen, was es mit dieser zusammengewürfelten Truppe auf sich hatte. Aber im Moment … da bereitete mir Rolands Gesichtsausdruck mehr
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