Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
einmal wollte ich ihn nicht enttäuschen.
»Na schön«, sagte ich. »Dann los.«
Ich hatte schon haufenweise Monster verhört, Feine auch, sogar Menschen. Aber Gefangene zu verhören war etwas ganz anderes. Es war schon befremdend genug zu erfahren, dass mein Schloss auch über ein Verlies verfügte. Sogar mit Fesselvorrichtungen an der Wand, aber zu meiner Erleichterung waren die Gefangenen nicht angekettet. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau, die beide abgerissen und mürrisch waren. Er schien so alt zu sein wie ich, sie sah älter aus.
Ich betrat die mit einem Bronzegitter gesicherte Zelle; Rurik und ein Wachsoldat folgten. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schluckte meine Bedenken runter. Ich war Eugenie Markham, die Extra-Hart-Schamanin, die eiskalt Bösewichte aus der Anderswelt zur Strecke brachte. Das hier war auch nichts anderes als meine sonstigen Aufträge.
»Na schön«, sagte ich mit scharfer Stimme zu den Gefangenen. »Wir können das auf die leichte oder die harte Tour machen. Beantwortet meine Fragen, und das Ganze geht für uns alle leicht und reibungslos über die Bühne.«
Die Frau funkelte mich an. »Euch brauchen wir gar nichts zu sagen.«
»Ist ja putzig. Wem denn sonst? Ihr befindet euch in meinem Land. Unter meiner Herrschaft, meiner Gerichtsbarkeit.«
Sie spuckte auf den Boden. »Ihr seid eine Thronräuberin. Ihr habt das Land von Aeson gestohlen.«
Angesichts der ständigen Machtverschiebungen in der Anderswelt fand ich diese Feststellung lachhaft. »Hier ist jeder ein Thronräuber. Und falls ihr es nicht gehört haben solltet, ich habe ihm nicht das Land weggenommen, sondern ich habe ihn in tausend Stücke gesprengt.«
Ihr Gesicht blieb hart, aber über das Gesicht des Mannes huschte ein Anflug von Furcht. Ich wandte mich an ihn. »Was ist mit dir? Willst du vernünftig sein und mir sagen, wo die Mädchen abgeblieben sind, die ihr verschleppt habt?«
Er warf einen nervösen Blick zu seiner Kumpanin. Sie sah ihn scharf an, und die Botschaft besagte eindeutig: Mund halten .
Ich seufzte. Ich wollte nicht zu Foltermethoden greifen. Allmächtige Herrscherin oder nicht, mit so etwas wollte ich mir auf keinen Fall die Finger schmutzig machen. Wobei ich schon den Eindruck hatte, dass meine Eisenathame an ihren Kehlen sie zum Reden bringen würde. Stattdessen ging ich die Sache anders an.
Ich zog meinen Zauberstab, trat beiseite und rief Volusian. Die vorübergehende Kälte senkte sich auf uns herab, und dann stand der Geist vor mir. Rurik und der Wachsoldat kannten das schon, aber die Gefangenen keuchten auf.
»Volusian«, sagte ich. »Gibt was zu tun.«
»Wie meine Herrin befiehlt.«
Ich wies auf die Gefangenen. »Du musst sie ein bisschen bearbeiten. Sie zum Reden bringen.«
Seine roten Augen weiteten sich leicht. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, sah er fast zufrieden aus.
»Aber du darfst sie nicht töten«, fügte ich rasch hinzu. »Auch nicht verletzen … jedenfalls nicht sehr.«
Die Pseudozufriedenheit verschwand.
»Fang mit ihm an«, sagte ich.
Volusian schlenderte durch die Zelle und streckte gerade mal eine Hand aus, als der Mann schon zusammenbrach. »Ist ja gut! Ist ja gut! Ich red ja schon!«, rief er.
»Halt, Volusian.«
Der Geist machte ein finsteres Gesicht und trat zurück.
»Von verschwundenen Mädchen weiß ich nichts«, sagte der Mann. »Wir verschleppen keine.«
»Ihr habt Leute überfallen«, stellte ich fest. »Und ganz in der Nähe eures Stützpunkts sind Mädchen verschwunden. Schon irgendwie verdächtig.«
Er schüttelte hektisch den Kopf und sah wieder zu Volusian. »Nein, damit haben wir nichts zu tun.«
»Aber davon gehört habt ihr schon?«
»Ja. Bloß waren wir das nicht.« Da war er hartnäckig.
»Tja, aber sie werden ja wohl kaum alle ausgerissen sein. Wenn ihr es nicht wart, wer dann?«
»Ihr seid eine Närrin!«, fauchte die Frau. »Was sollten wir denn mit einer Horde Mädchen anfangen?«
»Dasselbe, was Männer normalerweise mit Mädchen anfangen.«
»Wir kriegen ja unsere eigenen Leute kaum satt! Warum sollten wir da noch mehr Mäuler durchfüttern wollen?«
Die Frage war berechtigt. »Tja, ihr habt mir aber immer noch keine andere Erklärung dafür geboten.«
»Wir haben gehört, dass sie von einem Monster geholt werden«, platzte der Mann heraus.
»Von einem Monster«, sagte ich nüchtern. Ich sah zu Rurik hinüber, der bloß mit den Schultern zuckte. Ich wandte mich wieder an die Gefangenen.
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