Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
einfach, dass Ihr Euch normalerweise nicht mit so etwas beschäftigt.«
Die Offenheit verblüffte mich. Ich hatte erwartet, dass er dummes Zeug reden würde wie die meisten Kerle hier, die bei mir landen wollten. In seinem Gesicht standen aber weder Lüsternheit noch Bewunderung, sondern einfach nur Sympathie und Verständnis.
»Nein, absolut nicht. Mein Leben hat sich ganz schön verändert.«
»Und doch wusstet Ihr, was Ihr mit dem Sieg über Aeson auf Euch nehmen würdet.«
Ich zögerte. Shaya und Rurik hatten mir mehrmals zu verstehen gegeben, dass ich besser nicht erzählte, wie unerwartet mein Status einer Königin gekommen war – und wie wenig ich mich damit anfreunden konnte. Auch wenn ich Aeson nicht mit der Absicht bekämpft hatte, an seine Stelle zu treten, ich hatte das Land jetzt eben am Hals. Wenn ich nun außerhalb meines inneren Kreises als schwach und weinerlich rüberkam, konnte das leicht noch mehr Probleme schaffen.
»Aber ja«, sagte ich strahlend. »Wir haben nur nicht damit gerechnet, dass die Veränderung des Landes solche Schwierigkeiten nach sich ziehen würde.«
»Aber Eure Welt ist doch genauso?«
»Jedenfalls der Teil, in dem ich lebe. Nur hatten wir genug Zeit, uns an seine Bedingungen anzupassen und Mittel und Wege zu finden, wie man darin überleben und sich mit Wasser versorgen kann. Ich habe Shaya die entsprechenden Bücher mitgebracht, und sie findet hoffentlich jemanden, der etwas damit anfangen kann.«
Er runzelte die Stirn. »Ob ich wohl einmal einen Blick darauf werfen könnte? Ich kann vielleicht helfen.«
Einen Moment lang fragte ich mich, ob das ein neuer Trick war, sich an mich ranzumachen – dann fiel mir wieder ein, dass Shaya sein großes technisches Verständnis erwähnt hatte, also jedenfalls für einen Feinen. Wenn er aus Diagrammen und so weiter schlau wurde, dann war es vielleicht sinnvoll, sich einmal zusammenzusetzen.
»Sicher«, sagte ich. »Wir können jede Hilfe brauchen.«
Er lächelte wieder, und als sein Gesicht aufleuchtete, konnte sogar ich sehen, dass er ziemlich gut aussah. Nicht so gut wie Kiyo natürlich. Oder auch nur wie – na ja, Dorian. Aber er hatte was, durchaus.
»Ich sehe es mir baldmöglichst an. Und wenn ich sonst noch etwas tun kann, um Euch das Ganze leichter zu machen, gerne.« Er sah mich hingerissen an. Ja, er war definitiv in mich verschossen, nur dass er nicht aufdringlich wurde wie manche widerlichen Typen hier. Dabei fiel mir etwas an.
»Leith … Es gibt wirklich etwas, wobei Ihr mir vielleicht helfen könnt. Habt Ihr je etwas von verschwundenen Mädchen aus dem Vogelbeerland gehört? In den Grenzgebieten zu meinem Land?«
Sein Gesichtsausdruck besagte eindeutig, dass das die letzte Frage war, mit der er hier gerechnet hatte. »Ob ich … Verzeihung?«
»Aus meinem Land sind Mädchen verschwunden, in unmittelbarer Nähe zu Euren Grenzstädten …« Wie hießen sie noch gleich? »Skye und Ley. Wie mir berichtet wurde, ist den dortigen Mädchen nichts passiert. Wisst Ihr etwas über diese Geschichte?«
Er schüttelte zutiefst verwirrt den Kopf. »Nein … Ich fürchte, ich weiß nicht besonders viel über das Leben dieser Leute.«
Seine Worte waren in keiner Weise abfällig gemeint, aber in ihnen schwang mit, dass Dorfleute und Bauern einfach nicht zu den Leuten zählten, mit denen er zu tun hatte. Es erinnerte mich an Ruriks Bemerkung, dass Aeson sich nie die Mühe gemacht hätte, sich um irgendwelche Räuberbanden oder verschwundenen Mädchen zu kümmern, solange es keine Auswirkungen auf ihn hatte. Leith war kein solches Charakterschwein wie Aeson, aber seine Mutter und er waren wahrscheinlich genauso abgehoben wie alle anderen Adligen auch.
Ich glaube, dass ich ein ziemlich enttäuschtes Gesicht gemacht habe, denn er war plötzlich ganz versessen darauf, mich aufzumuntern. »Aber ich schwöre, ich werde dem nachgehen, sobald ich wieder zu Hause bin. Ich frage Mutter, und dann senden wir Euch Nachricht. Ich finde alles für Euch heraus, was ich kann.«
Sein Enthusiasmus brachte mich zum Schmunzeln. »Vielen Dank, Leith. Das ist wirklich nett von Euch.«
»Einer schönen Königin behilflich zu sein kostet doch keine Mühe. Habt Ihr übrigens je die Anschaffung einer Krone in Erwägung gezogen?«
Wir plauderten noch ein bisschen, und ich stellte fest, dass er wirklich nett war; immer wieder schimmerten sein Humor und seine Intelligenz durch. Es war nicht genug, um mit ihm ins Bett hüpfen zu wollen, aber ich
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