Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
eine große Flasche zugelegt hatte.
»Danke.« Ich stand auf und zeigte zu Jasmines Zelle. »Und nun … zurück zum Wachdienst.«
Ich stiefelte davon, ohne mich noch einmal umzusehen, und Jasmines Wutgeschrei verhallte hinter mir. Shaya, die die ganze Zeit über schweigend gewartet hatte, holte mich auf der Treppe ein.
»Seid Ihr sicher, dass ich nichts für Euch tun kann?«
Ich warf einen Blick auf die Flasche. »Schau mal, ob du ein paar kleine Gläser auftreiben kannst. Ungefähr so groß.« Ich deutete mit den Fingern ein Schnapsglas an. »Und bring genug für … ich weiß nicht … dich, Rurik … Scheiße, für jeden, der Lust hat, sich mit mir zu betrinken. Meinetwegen auch für Ysabel.« Ich war richtig großherzig drauf heute Abend. Oder wollte zumindest Gesellschaft in meinem Jammertal.
Nun sah Shaya mich richtig besorgt an, aber ich reagierte nicht weiter darauf, sondern trat auf einen kleinen runden Hof in der Mitte des Schlosses hinaus. Die waren anscheinend Standard in den Burgen der Feinen. Dorian besaß mehrere. Man hatte mir erzählt, dass dieser hier zu Aesons Zeiten grün war, voller Lilien und Flieder. Jetzt war der Boden mit Sand und kleinen Steinen bedeckt, und überall standen Kakteen, Mesquiten und sogar einige Rauchdornbäume, von denen das Land seinen Namen bekommen hatte. Wenigstens die Mesquiten würzten die Luft. Diesen Vorteil immerhin bot die Anderswelt; sie blühten hier anscheinend das ganze Jahr über.
Ich setzte mich im Schneidersitz in die Hofmitte, die jemand mit Steinfliesen ausgelegt hatte. Diese »Terrasse« war letztes Mal noch nicht hier gewesen, und ich fragte mich, ob es Shayas Werk war, genau wie die Grasflecken, die sie hier anzulegen versuchte. Ich wartete nicht auf die Schnapsgläser, sondern schraubte die Flasche auf und nahm einen langen Schluck, von dem mir ordentlich die Kehle brannte.
Bald war Shaya wieder da. Sie hatte Rurik mitgebracht; sein Gesicht war ungewöhnlich ernst. Sie sahen einander kurz an und setzten sich dann ebenfalls auf die Fliesen. Shaya stellte einige kleine Becher aus graviertem Silber in die Mitte. Keine richtigen Schnapsgläser, aber sie würden reichen. Ich nahm die Flasche und schenkte drei Gläser ein.
»Auf die Weidenkönigin und ihr Kind«, sagte ich und hielt meinen Becher hoch. Ich leerte ihn mit einem Schluck. »Scheiße. Wenn wir bloß Salz und Limetten hätten.«
Shaya und Rurik wechselten wieder einen Blick – dachten die echt, ich merkte das nicht? – und folgten dann meinem Beispiel. Rurik kippte seinen Tequila stoisch, aber Shaya verschluckte sich daran.
»Was … was ist das?«, fragte sie, sobald sie wieder sprechen konnte.
»Gottes Lieblingsschnaps. Ich hätte Volusian in den Supermarkt schicken sollen, damit er mir auch noch einen Margarita-Mix mitbringt, wo er schon dabei war.« Ich lachte bei der Vorstellung und goss mir noch einen ein. »Er wird aus einer Kaktusart gebrannt.«
Shaya beäugte die Flasche entsetzt. »Im Ernst?«
»Jepp. Hm. Ich frage mich, ob wir das Zeug selbst herstellen könnten. Ich habe hier schon Agaven gesehen. Jede Wette, dass wir damit ordentlich Geld machen könnten.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte sie.
Rurik schenkte sich nach. »Ich weiß nicht. Könnte schon dem einen oder anderen gefallen.«
»Ach, Rurik. Ich wusste doch, dass wir verwandte Seelen sind.« Ich hielt mein leeres Schnapsglas hoch und betrachtete den Schimmer des Mondlichts darauf. Wir hatten Halbmond. Wieder fing mir aufs Angenehmste der Kopf zu schwirren an. »Was meint ihr, bekommt Maiwenn einen Jungen oder ein Mädchen?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Shaya nach einigen Sekunden der Stille. »Manche können das auf magische Weise vorher feststellen. Aber die Weidenkönigin hat das wohl nicht machen lassen.«
»Eher nicht.« Das hätte Kiyo mir erzählt. Oder doch nicht? Vielleicht hätte er die Neuigkeit für sich behalten, damit es ein Geheimnis zwischen Maiwenn und ihm blieb. Ich goss mir noch einen Tequila ein, trank ihn aber erst mal nicht. Stockbesoffen war okay, endlos am Reihern weniger. »In meiner Welt hätten sie das Geschlecht längst gewusst. Außerdem hätten sie alle möglichen anderen Sachen erfahren – seine Größe, ob es irgendwelche Krankheiten hat, ob es Zwillinge oder Drillinge werden. Dafür haben wir so eine bestimmte Maschine. Man fährt mit einer Kelle über den Bauch der Schwangeren, und dann kann man das Ungeborene auf einem Bildschirm sehen. Oder manchmal, das
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