Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
einen Affront vorzugehen, der nichts mit ihnen zu tun hatte, überhaupt nichts. Ich schuldete Dorian nichts, dessen war ich mir sicher; aber ich war seinen Untertanen verpflichtet.
Als ich nicht antwortete, fuhr Shaya fort. „Leute aus seinem Volk helfen auch, das Vogelbeerland im Griff zu halten.“
„Ach, tun sie das?“ War ja klar, dass Dorian sich da reindrängen musste. „Darum habe ich nie gebeten.“
Sie nickte. „Ihr könnt es dennoch gebrauchen. Viele haben immer noch Probleme, Eure Herrschaft zu akzeptieren. Es gibt viel Groll und Verbitterung. Bis jetzt ist es noch nicht zu Gewalttätigkeiten gekommen– aber das liegt vor allem an der beträchtlichen Militärpräsenz, die Rurik dort aufgebaut hat. Dorian ist da hilfreich.“
Ich hatte gleich bei meiner Ankunft mit dem Dornenland meditiert, wodurch ich mich ein bisschen besser fühlte, aber der Druck und die andauernden politischen Komplikationen schafften mich. Ich war für so was nicht gemacht. „Was will er denn? Das halbe Königreich?“
„Nein. Handelsverträge. Tributzahlungen. Das Vogelbeerland produziert jede Menge Lebensmittel, und davon will er etwas abhaben.“
„Das klingt gar nicht so schlimm“, sagte ich zögernd.
„Ich schätze, ihm schweben sehr niedrige Preise vor“, ließ sich Kiyo zum ersten Mal vernehmen.
Shaya nickte. „Genau das. Und es steht ihm in einem gewissen Ausmaß auch zu. Aber seine derzeitigen Forderungen sind extrem genug, um die Wirtschaft des Vogelbeerlands gefährden zu können. Vielleicht ist das kein Thema. Es hängt alles davon ab, was Ihr für das Volk wollt.“
Ich dachte an die Flüchtlinge vor den Toren. Was wollte ich für diese Leute? Ich wollte, dass es ihnen gut ging. Ich wollte eine Rückkehr zur Normalität. „Können wir uns nicht irgendwo in der Mitte treffen?“, fragte ich Shaya.
„Höchstwahrscheinlich.“
„Dann handle das mit ihm aus.“
Sie nahm es mit einem Verneigen des Kopfes zur Kenntnis, und mir wurde klar, dass sie längst gewusst hatte, was getan werden musste. Sie zollte nur ihrer Königin Respekt, indem sie einen Schritt nach dem anderen machte und dadurch allen vermittelte, dass ich es war, die hier das Sagen hatte.
Als Kiyo und ich schließlich zum Vogelbeerland aufbrachen, spürte ich, wie erleichtert das Land war, wie sehr es mich willkommen hieß. Seine Energie vereinigte sich flammend mit der meinen, stärkte mich. Beim Schloss sahen wir wenige Vogelbeersoldaten, aber viele von meinen und Dorians Leuten. Sie waren überall stationiert und hielten die Ordnung aufrecht, wie Shaya gesagt hatte. Sie verneigten sich tief, wenn sie mich sahen, und die Bürger des Königreichs taten es ihnen nach. Nur dass sich Katrice’ Untertanen nicht aus Achtung und Respekt verneigten. Angst stand in ihren Augen, manchmal auch Verwirrung, und einige wenige ließen sich deutlich anmerken, dass sie dazu gezwungen wurden.
Rurik war immer noch vor Ort und überwachte die Besatzung persönlich. Ich hatte Vertrauen in seine Führung und hörte mir an, was als Nächstes getan werden musste. Ich verstand nur wenig mehr davon als von den Wirtschaftsfragen, mit denen Shaya mich bedrängt hatte; der wichtigste Punkt war, dass ich hier baldmöglichst einen Rat einsetzen musste. Die Auswahl seiner Mitglieder stellte ein Problem dar. Shaya war überaus fähig, aber selbst sie konnte nicht an zwei Stellen zugleich sein. Als Rurik meine Bestürzung sah, fügte er zögernd hinzu, dass Dorian angeboten hatte, Leute für diese Aufgabe zu entsenden.
Weitere Energie des Vogelbeerlands strömte in mich, als ich zu meiner Meditationssitzung mit ihm aufbrach. Die eigentliche Verbindung ähnelte der mit dem Dornenland, aber dieses Königreich fühlte sich völlig anders an. Das Dornenland war rau– voller Leben, ja, aber Leben, das erbittert gegen die Elemente kämpfte, um nicht unterzugehen. Das Vogelbeerland war freundlicher, seine Lebenskraft sprudelte munter hervor und strahlte durch seine vielen Bäume und Pflanzen aus.
„Eugenie“, sagte Kiyo, der mir zu einem kleinen Außengarten hinter dem Schloss folgte. „Schau.“
Ich blieb stehen und sah mich um. Wo ich ging, waren Blumen gesprossen; kleine roten Blüten sprenkelten den mit Gras bewachsenen Weg. Ich kniete mich hin, schnupperte ihren betäubenden Duft. „Warum passiert das denn?“
„Du bist seine Herrscherin. Du gibst dem Land Leben und Energie.“
Ich dachte daran, dass ich mich ein wenig besser fühlte, seit ich hier war.
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