Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
nicht herein.« Noch während ich das sagte, kam mir der Gedanke, dass ich mit meinem Ausbruch am besten sofort loslegte. Was machte es für einen Unterschied, ob die Wachen draußen vor meiner Zelle waren oder drinnen? Ich musste so oder so mit ihnen fertig werden. Ich wollte gerade schon meine Magie zusammenziehen, als mich die nächsten Worte des Soldaten bremsten.
»Wie Ihr wollt«, sagte er mit einem Achselzucken. »Ich weiß nicht einmal genau, ob der Eichenkönig noch lebt.«
Kapitel 22
Mein Herz setzte aus.
»Wovon zum Teufel sprichst du?«, donnerte ich.
Der Soldat blieb gleichgültig. »Einige Folterer haben ihrer Kunst wohl etwas zu begeistert gefrönt. Als Ihre Majestät davon erfuhr, hat sie in ihrer Gnade beschlossen, Euch vor dem Dahinscheiden des Eichenkönigs noch die Gelegenheit zu einem Abschied zu geben. Ich kenne seinen gegenwärtigen Zustand nicht. Dafür bin ich nicht zuständig.«
»Das hat doch nicht mit Gnade zu tun!«, rief ich. »Und so war das auch nicht geplant. Varia hat mir gesagt, dass er später hingerichtet werden sollte.«
»Unsere Herrin schuldet Euch weder Rechenschaft, noch ist sie verpflichtet, ihren Untergebenen gegenüber Wort zu halten. Es steht ihr frei, zu tun, was immer ihr beliebt.«
Mein Herz arbeitete wieder, aber nun schlug es doppelt so schnell. Indem Varia von ihrem Plan abwich, ruinierte sie meinen. Dorian … tot? Dass er in Gefahr gewesen war, hatte ich gewusst, aber in meinem Hinterkopf war diese Gefahr immer erst ›später‹ gekommen. Und für mich hieß ›später‹ eben, dass ich noch die Gelegenheit hatte, etwas dagegen zu unternehmen. Eine innere Stimme sagte immer wieder: Halte dich an den Plan, halte dich an den Plan. Wenn Dorian tot war, konnte ich nichts mehr machen. Wenn er noch lebte, dann konnten Kiyo und die anderen ihn retten.
Und doch …
»Ich komme mit«, sagte ich.
Es widersprach total der Vernunft. Es spielte Varia in die Hände. Bloß konnte ich auf keinen Fall Dorian im Stich lassen, wenn er gerade seinen letzten Atemzug tat.
Sie brachten mich zur Folterkammer, die absolut so schrecklich war, wie das Wort suggerierte. An den Wänden hingen übel aussehende Waffen mit einer gewissen Neigung zu Dornen. Aber als man mich zu Dorian brachte, wies er keine einzige Verletzung auf – jedenfalls keine frische. Die Feinen verstanden sich offenbar auf noch weit heimtückischere Formen der Folter, als ich gewusst hatte. Dorian lag auf dem Rücken, auf einem langen Tisch aus Stein, wie ein Toter in der Leichenschauhalle. Ich eilte zu ihm, und auch wenn er keine sichtbaren Verletzungen aufwies, lag doch auf der Hand, dass er in keinem guten Zustand war.
Blass war er schon immer gewesen, aber das war eben der ganz natürliche Marmorteint von Rothaarigen, die mit der Sonne aufpassen mussten. Das hier jetzt … das war etwas völlig anderes. Es war das unnatürliche Weiß des bevorstehenden Todes. Seine Haut war feucht, und sein Atem ging flach. Letzteres immerhin erfüllte mich mit Hoffnung. Er atmet noch. Ich legte meine Fingerspitzen an seinen Hals und spürte einen schwachen Puls. Damit war mein medizinisches Wissen praktisch erschöpft, aber andererseits konnte die Tatsache, dass es einen Puls gab, doch nur ein gutes Zeichen sein.
Ich starrte finster zwischen Varias Leuten hin und her und hatte keine Ahnung, gegen wen ich meinen rechtschaffenen Zorn richten sollte, da Ihrer Majestät ja anscheinend nicht zuzumuten war, mich hier zu treffen. Wahrscheinlich mussten die Hunde gerade gebadet werden. Mein Kontingent an Wachen war verstärkt worden, aber sie sollten vor allem aufpassen, dass ich mich benahm. Die eigentlichen Übeltäter waren vermutlich zwei Feine in langen braunen Roben mit Goldstickerei. Sie starrten mich schweigend an. Einer der Folterer war ein Mann, der andere eine Frau.
»Was habt ihr mit ihm gemacht?«
Der Folterer breitete auf absurd entspannte Weise die Hände aus. »Was unsere Königin von uns verlangt hat. Sie wollte ein warnendes Beispiel geben.«
»Wofür denn? Dass sie eine gemeingefährliche Irre ist? Das hat sie doch schon vor einer ganzen Weile klargestellt, indem sie sich fremde Königreiche unter den Nagel gerissen hat.«
Einige Wachen runzelten über meine Wortwahl die Stirn, aber niemand trat vor, um mir den Mund zu verbieten. »Sie wollte Euch lediglich ihre Macht zeigen«, sagte die Folterin. »Und Euch zu umsichtigem Vorgehen ermuntern.«
»Ich werde ihr bei ihren wahnsinnigen Plänen nicht
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