Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
öffnete. »Das ist aber eine Überraschung.«
Jasmine und Ansonia standen dort. Ansonia sah noch genauso verängstigt aus wie vorhin, aber eigentlich war es Jasmines Aussehen, das mich beunruhigte. Sie war so blass, so schrecklich außer sich, dass ich glaubte, sie würde jeden Moment ohnmächtig umfallen. Ich sprang auf und eilte zu ihnen.
»Setzt euch hin, um Himmels willen! Was ist denn los? Ist alles mit euch in Ordnung?« Es war nirgendwo Wasser zu sehen, also goss ich zwei Gläser Wein ein. Lieber Alkohol an Minderjährige ausschenken als gar nichts.
Jasmine nahm einen Schluck, schien aber kaum etwas zu schmecken. Sie kam mir vor wie ein Roboter.
»Was ist denn? Jasmine, rede mit mir. Oder sag du etwas, Ansonia!«
»Ich lasse einen Heiler holen«, verkündete Dorian.
Das riss Jasmine aus ihrem Zustand. »Nein, wartet. Das ist nicht – das ist nicht das Problem. Ich bin bloß … « Sie schüttelte den Kopf und trank wieder von dem Wein. »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ansonia, sag du es ihnen. Du musst es ihnen sagen.«
Ansonia schaute uns aus großen, verängstigten Augen an, die von einem wunderschönen Blaugrau waren, ganz ähnlich wie Jasmines. »Weißt du, wo Pagiel ist?«, fragte ich hoffnungsvoll.
Ansonia schüttelte den Kopf. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie jeden Moment den Wein verschüttete; darum nahm ich ihr das Glas weg.
»Du musst es ihnen sagen«, drängte Jasmine. »Sie müssen es wissen.«
Ansonia öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. Ein paar Sekunden später versuchte sie es erneut. »Vor … vor ein paar Tagen habe ich zufällig mit angehört, wie Mutter und Großmutter abends geredet haben. Sie haben gedacht, dass ich schlafe. Sie – sie haben über Pagiel und seine Diebeszüge geredet.«
»Verdammt«, fluchte ich. »Also wissen sie doch, wo er ist.«
»N-nein.« Ansonia schüttelte den Kopf. »Das nicht. Wirklich nicht. Niemand von uns weiß es. Aber sie haben darüber geredet, dass sie so etwas von ihm erwartet hatten, bloß nicht so früh. Großmutter sagte, dass es so nicht richtig wäre, dass er mit einem richtigen Heer hinübergehen müsste und dass er handele, ohne überhaupt zu begreifen, was er tut. Dann haben sie angefangen, über Euch zu reden, Majestät.« Dieser nervöse Blick huschte zu Dorian. »Ob Ihr ihn wohl unterstützen würdet.«
»Bei den Diebeszügen?«, fragte Dorian verwirrt. »Sie wissen doch, dass ich dagegen bin. Darum haben sie es mir doch verheimlicht.«
»Nein, ob Ihr Pagiel unterstützen würdet. Dabei, Großvaters Erbe anzutreten.«
Ich versuchte, mein Wissen über ihre Familie wieder hervorzukramen, und mir fiel vage ein, dass Ysabels Vater sie und Edria im Stich gelassen hatte. »Welches Erbe?«
Ansonia schluckte. »Ich schwöre, ich habe nie davon gewusst! Ich habe nie gewusst, wer er war. Pagiel auch nicht. Er weiß es noch immer nicht.«
Jasmine war jetzt wieder genug beieinander, um keine Geduld mehr für Ansonias Zögerlichkeit zu haben. »Verdammt, nun spuck es schon aus!« Ohne auf eine Reaktion zu warten, drehte sie sich zu mir und Dorian herum. »Ysabels Vater war der Sturmkönig . Unser Vater. Edria hatte es die ganze Zeit über geheim gehalten.«
Ich konnte sie nur anstarren. Selbst Dorian war sprachlos.
»Versteht ihr denn nicht?«, fragte Jasmine. »Du bist nicht die Älteste, Eugenie! Sondern Ysabel. Und Pagiel ist der erste Enkelsohn des Sturmkönigs.«
Kapitel 25
Es gab nur wenige Momente in meinem Leben, in denen sich meine Welt so unwiderruflich verändert hatte, dass die Zeit stillstand und ich in einem Schockzustand gefangen war. Ich konnte sie an einer Hand abzählen. Als ich von meiner Schwangerschaft erfahren hatte, war ein solcher Moment gewesen. Ein anderer, als ich erfahren hatte, dass ich die Tochter des Sturmkönigs war. Und nun … dies.
»Nein«, sagte ich schließlich. »Das kann nicht sein.«
In Ansonias Augen standen Tränen. »Ich habe es doch gehört «, sagte sie. »Und jetzt, im Nachhinein … Es hat schon länger Bemerkungen gegeben, die ich nicht verstand, Andeutungen, dass es zwischen meiner Mutter und Großmutter irgendein großes Geheimnis gab. Ich hab sie nie verstanden … erst jetzt. Es fing vor, ich weiß nicht, vielleicht einem Jahr an. Ich weiß noch, dass meine Mutter eines Tages ganz schockiert gewesen ist. Sie wollte mit niemandem darüber reden. Ich glaube, damals hat sie es erfahren. Bis dahin hatte Großmutter es bestimmt für sich behalten.«
Dorian
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