Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
legitime Folge seines Erbes. Ysabel – meine Schwester – stand ihrer Mutter bei und verteidigte ihren Sohn ebenfalls … allerdings war bei ihr eine gewisse Verunsicherung spürbar. Ansonia zufolge hatte Ysabel die Wahrheit ja erst kürzlich erfahren. Und so sehr sie zwar nach Aufmerksamkeit und Status gierte, diese neue Entwicklung übertraf vielleicht ihre kühnsten Erwartungen.
Aber da die Katze jetzt aus dem Sack war, hatte Edria keinerlei Hemmungen, die Neuigkeiten in der Anderswelt zu verbreiten. Wie so oft bei Klatsch wussten anscheinend binnen kürzester Zeit alle Bescheid. In den Königreichen herrschte helle Aufregung. Die Leute konnten es nicht fassen, dass nicht nur mein Sohn abgelöst worden, sondern der neue Thronerbe sogar schon dabei war, seiner Bestimmung zu folgen. Nun ließen sich die unterschiedlichen Lager wieder vernehmen, die während der Plage verstummt waren, und traten entweder vehement für Pagiel ein oder äußerten sich ebenso entschieden gegen ihn.
So war es keine Überraschung, als ein paar Tage später Kiyo an Dorians Burgtor erschien und erklärte, uns sprechen zu wollen. Dorian erklärte sich erst nach einer Verzögerung dazu bereit. Kiyos letzter Besuch hatte in einem spektakulären Mordanschlag auf mich geendet, woraufhin er von Dorian verbannt worden war, mit einer strikten Anweisung an seine Wachen, was sie zu tun hatten, falls Kiyo sich hier je wieder blicken ließ. Dorian und ich berieten uns und kamen zu dem Schluss, dass ich sicher war; andererseits hatte sich meine Meinung über Kiyo nicht sonderlich geändert, auch nach unserer Zusammenarbeit im Eibenland nicht.
»Ich nehme an, ihr werdet irgendwas unternehmen?«, sagte Kiyo, sobald wir unter uns waren.
»Ich gehe heute noch rüber nach Tucson«, sagte ich. »Aber so leicht wird er nicht zu finden sein. Roland zufolge ist er längst über alle Berge, wenn man von einem seiner Diebeszüge hört.«
»Ich finde ihn schon«, grollte Kiyo. »Ich finde ihn und mache dieser Sache ein Ende.«
Ich riss unwillkürlich die Augen auf. »Was soll das heißen?«
Kiyo hielt meinem Blick gelassen stand. »Was glaubst du denn? Wir müssen dem Ganzen ein Ende machen, bevor es noch schlimmer wird. Außer ihr verfolgt andere Pläne.« Das war an Dorian gerichtet, mit eindeutigem Unterton.
Dorian hielt sich mit seiner Meinung bisher auffällig zurück. Er unterstützte zwar meine Absicht, Pagiel zu finden, hatte sich aber noch nicht dazu geäußert, was seiner Meinung nach anschließend passieren sollte.
»Pagiel begreift doch gar nicht, was er da tut«, sagte ich. »Es gibt andere Wege, dem ein Ende zu machen.«
»Damit hast du das eigentliche Problem noch nicht mal angeschnitten«, sagte Kiyo. » Er ist längst aktiv. Du hast mir immer wieder vorgeworfen, dass ich hinter deinem Sohn her bin, obwohl er doch unschuldig ist und gar nichts getan hat. Tja, und nun das. Pagiel ist praktisch ein erwachsener Mann, er besitzt beachtliche Kräfte, und er macht genau das, was prophezeit worden ist. Da kannst du doch nicht mehr behaupten, dass es eine Möglichkeit gibt, um diese Prophezeiung herumzukommen.«
»Irgendeine Möglichkeit besteht immer«, sagte ich störrisch. »Wir sind keine Schachfiguren des Schicksals. Pagiel kann die Zukunft immer noch ändern. Er ist klug. Er hat viel Mitgefühl. Und ich glaube, dass er das Richtige tun wird. Er verdient seine Chance. Ich werde ihn ganz bestimmt nicht einfach töten, ohne auch nur mit ihm geredet zu haben!«
Eigentlich hätte mich nichts, was Kiyo machte, noch schockieren sollen, aber ich konnte nicht fassen, mit welcher Leichtigkeit er über seine Versuche hinwegging, Isaac zur Strecke zu bringen. Kein Bedauern, keine Entschuldigung. Kein ›He, Eugenie, da hab ich mich wohl geirrt. Sorry, dass ich dir über so viele Monate hinweg dermaßen Leid zugefügt habe‹.
Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit jetzt einfach auf Pagiel. »Ihr habt mit ihm geredet, bevor wir ins Eibenland gereist sind. Seine Diebeszüge haben trotzdem nicht aufgehört. Ich bezweifle ernsthaft, dass du irgendwas tun oder sagen kannst, das jetzt noch etwas ändert.«
»Versuchen muss ich es.«
Kiyo zuckte mit den Schultern. »Und ich werde dich daran hindern.«
Bei dieser subtilen Drohung straffte Dorian sich. »Und ich bereue auf einmal, dir Gastfreundschaft gewährt zu haben.«
Kiyo stand auf. »Keine Sorge. Ich finde selbst hinaus. Ich habe alles gehört, was ich wissen muss.«
Er stürmte mit
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