Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
abwichen. Ein Priester oder so etwas hatte heute den Vorsitz, aber wie man mir erzählt hatte, sollte er der Zeremonie, bei der Religion eine geringe Rolle spielte, im Grunde nur als Zeuge und Offiziant Rechtsgültigkeit verleihen.
Mehr von den Bräuchen der Feinen zeigte sich, als das Brautpaar erschien. Die Braut wurde weder zum Altar geführt noch ging sie allein dorthin. Shaya und Rurik schritten gemeinsam durch die Menge, Hand in Hand bahnten sie sich als Gleichgestellte ihren Weg zum Rosenbogen. Nur wenige Feine kamen überhaupt auf die Idee zu heiraten, aber wenn, dann war ihnen die Hochzeit – zu Recht – ein Anlass großer Freude, und die Farbe Weiß erschien ihnen dafür nicht fröhlich genug. Also trug Shaya ein Seidengewand in einem kräftigen Rosa und statt ihrer üblichen Zöpfe offene Haare, die ihr lang und schwarz den Rücken hinunterflossen. Das stellte einen dramatischen Kontrast zu Ruriks hellhäutiger, blonder Erscheinung dar, aber ihre glücklichen Gesichter entsprachen einander perfekt.
Die Zeremonie war so kurz und schön, wie man es mir versprochen hatte, und bestand vor allem aus der Erzählung, wie das Paar zueinandergefunden hatte. Dass die beiden zusammen waren, konnte ich irgendwie immer noch nicht richtig glauben, weil sie so unterschiedlich waren. Shaya war stets zurückhaltend und verantwortungsbewusst, Rurik dagegen überheblich und ungehobelt. Und doch hatten sie es irgendwie hinbekommen und bis hierhin gebracht.
»Nun sag bloß, du bekommst feuchte Augen, Eugenie?«, fragte Dorian, als die Versprechen geleistet waren und die Menge in Hochrufe ausbrach. »Ich hätte nie gedacht, dass du der sentimentale Typ bist.«
»Nein!«, fauchte ich und wischte mir rasch mit der Hand über die Augen. »Das sind bloß die Hormone. Die lassen mich richtig verblöden.«
»Ah ja«, sagte er in einem Tonfall, der klarstellte, dass er mir das absolut nicht abnahm.
»Eure Majestäten.«
Shaya und Rurik standen vor uns und verneigten sich tief. Das Brauchtum verlangte, dass sich das frischgebackene Ehepaar seiner Lehnsherrin vorstellte, bevor es zu seiner Familie und seinen Freunden gehen durfte. Die beiden dehnten das auch auf Dorian aus, weil sie ihn bis zu einem gewissen Maß immer noch als ihren Herrscher betrachteten. Ich fand den Brauch ein bisschen albern. Wieso sollte sich das Paar unseren Segen holen? Hier ging es doch um sie. Wir hatten nichts damit zu tun. Aber ich hatte längst gelernt, mich nicht gegen die Etikette der Feinen aufzulehnen, und überraschte Shaya mit einer kräftigen Umarmung.
»Es freut mich so für dich«, sagte ich. In ihr Haar waren winzige Rosenblüten gesteckt, deren Duft mich einhüllte. Die Kirschbäume hatten ihre Produktion von Blütenblättern noch gesteigert – durch Magie zweifelsohne – , sodass sie überall herabrieselten wie Konfetti. »Du siehst wunderschön aus.«
»Danke«, sagte sie und wurde rot.
Dass ich Rurik ebenfalls umarmte, überraschte uns beide. »Für dich freut es mich auch. Wobei ich gar nicht weiß, ob du sie überhaupt verdienst«, neckte ich ihn.
Er nickte. »Geht mir genauso.«
»Ich wünsche euch viele Jahre des Glücks und der Fruchtbarkeit.« Dorian wirkte hocherfreut. Er hatte zumeist ein Grinsen aufgesetzt; entsprechend selten waren diese Momente reiner, unverhohlener Freude.
»Geht man bei euch eigentlich in die Flitterwochen oder so?«, fragte ich, wobei mir klar war, dass ich das besser längst in Erfahrung gebracht hätte. In die Hochzeit und die Sicherheitsmaßnahmen war dermaßen viel Vorbereitung geflossen, dass ich kaum über den heutigen Tag hinausgedacht hatte. Meine Frage wurde mit drei verdutzten Mienen quittiert.
»Flitterwochen, Eure Majestät?«, fragte Shaya, der das Wort eindeutig nichts sagte.
Mich wiederum verblüffte ihre Verblüffung. »Ähm, ja. So eine Art Reise … eine Reise, die man nach der Hochzeit macht. Man fährt für ein, zwei Wochen irgendwohin.«
»Wozu?« Dorian runzelte leicht die Stirn, neugierig.
Ich zuckte mit den Achseln. »Na ja. Damit man aus dem Trubel rauskommt und ungestört ist und … na ja … Ihr wisst schon … «
Begreifen spiegelte sich auf ihren Gesichtern. Shaya schüttelte den Kopf. »Wir befinden uns im Krieg, Eure Majestät. Da dürfen wir schwerlich davon träumen, uns in solchen Frivolitäten zu ergehen.«
Typisch Feine. Sie hatten kein Problem damit, in aller Öffentlichkeit zur Sache zu gehen, aber die Vorstellung einer intimen, romantischen Flucht
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