Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
ihm nicht ausdrücklich abverlangt wurden. Es war seine Art, mir zu zeigen, wie gleichgültig ich und meine Angelegenheiten ihm waren.
»Was ist was?«, fragte ich und sah mich um.
Er zeigte auf die beiden Skulpturen. »Die sind aus damarischer Jade.«
Ich dachte an mein Gespräch mit Ilania zurück. »Ähm, ja. Ich glaube, so hat sie dazu gesagt.«
»Sie?«, fragte er. »Wer ist das, sie ? Und ist sie hier?«
»Die Botschafterin des Eibenlands«, erklärte ich immer noch einigermaßen verblüfft über dieses Gespräch. »Sie ist im Auftrag ihrer Königin hier, Varia.«
»Varia. Sie muss die Tochter Ganenes sein.« Es hatte etwas Gruseliges, wie er Ganene aussprach. Das Wort troff vor Gift.
»Davon weiß ich nichts. Sie hat mir nur diese Skulpturen zukommen lassen und die Freundschaft des Eibenlands angeboten.«
»Ja, was auch sonst«, war sein rätselhafter Kommentar. »Darauf verstehen sie sich besonders gut.«
Ich stand auf. »Volusian, was weißt du über dieses Land? Weißt du, wie es dazu gekommen ist, dass sich ihr diese ganzen Reiche unterworfen haben?«
»Es haben sich ihr Reiche unterworfen? Nein, aber die Vorstellung klingt vernünftig, Herrin. Ihr solltet es ernsthaft in Erwägung ziehen.« Volusian war wieder zu seinen üblichen trockenen Bemerkungen zurückgekehrt – falls er überhaupt ernsthaft beunruhigt gewesen war. Das ließ sich bei ihm schwer sagen.
»Bist du einmal dort gewesen?«, fragte ich. »Im Eibenland?«
»Seit vielen, vielen Jahrhunderten nicht mehr, Herrin.«
»Aber du bist einmal dort gewesen.«
»Jawohl, Herrin.«
»Was weißt du über Varia?«
»Überhaupt nichts, Herrin. Wie ich schon sagte, ich bin seit vielen Jahrhunderten nicht mehr dort gewesen. Seitdem hat sich in diesem verfluchten Land zweifelsohne viel verändert.« Sein Blick zuckte wieder zu den Statuen. »Nur sein abscheuliches Kunstverständnis nicht. Sollte meine Herrin es für notwendig erachten, werde ich diese Monstrositäten mit Freuden zerstören und ihrem Blick diese Unansehnlichkeiten ersparen.«
»Sehr zuvorkommend. Warum hasst du das Eibenland so sehr?« Bevor er antworten konnte, fiel mir noch etwas anderes ein. »Volusian, kommst du aus dem Eibenland?«
Er ließ sich lange mit der Antwort Zeit. Wäre er dazu in der Lage gewesen, ich glaube, er hätte gar nicht geantwortet. Aber der Bindezauber, der ihn hielt, war zu stark.
»Jawohl, Herrin.«
Mehr sagte er nicht. Ich hätte ihn noch weiter ausfragen können, aber ich verkniff es mir lieber. Volusian war ein alter, ein sehr alter Geist. Er mochte zwar aus dem Eibenland stammen, aber wie er selbst zugegeben hatte, war er weder in letzter Zeit dort gewesen noch kannte er Varia. Worin seine feindselige Haltung diesem Reich gegenüber auch begründet war, es lag weit zurück und war mir wahrscheinlich kaum von Nutzen. Allerdings war ich beeindruckt, dass ich zum ersten Mal ansatzweise etwas über seine Vergangenheit erfahren hatte. Dass er irgendetwas Schreckliches getan hatte und in der Folge dazu verdammt gewesen war, ruhelos durch die Welten zu wandern, hatte ich von Anfang an gewusst. Jetzt besaß ich auch eine Vorstellung davon, wo der ganze Ärger angefangen hatte.
»Gibt es sonst noch etwas, Herrin?«, fragte er, als ich still blieb.
»Hm?« Ich schrak aus meinen Gedanken hoch. »Ach so, nein. Fürs Erste nicht.«
Volusian nickte zustimmend, dann löste er sich in Dunkelheit auf. Einen Moment lang schienen nur seine roten Augen noch dort zu schweben, dann verloren auch sie sich in den Schatten.
Kapitel 4
Bald stellte sich das wieder ein, was in meinem Leben als Alltag durchging. Die unzähligen Hochzeitsgäste kehrten in ihre eigenen Länder zurück, und Shaya und Rurik nahmen, ganz wie sie gesagt hatten, ihre Pflichten wieder auf. Zwischen den beiden schien sich kaum etwas geändert zu haben; ich ertappte sie nur gelegentlich dabei, wie sie einander ebenso verstohlene wie glückliche Blicke zuwarfen.
Ein Gast, der nicht gleich aufbrach, war Dorian. Er kündigte es nur immer wieder an. Er machte sogar Bemerkungen à la: »Also wenn ich morgen abreise … « Aber am nächsten Tag hing er immer noch im Vogelbeerland herum. Es verging fast eine Woche, dann sprach ich das Thema mal an.
Ich stöberte ihn draußen in einem der Wäldchen hinter der Burg auf. Auch das war zwar noch gut gesichertes Gelände, aber mir folgten trotzdem leise und diskret einige Wachsoldaten, immer in respektvollem Abstand, aber nah genug, um notfalls
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