Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
es doch. Ich brauche dich hier. Du bist die Einzige, die für mich einspringen kann.«
»Ich bin die Einzige, die dich da drüben wirklich beschützen kann. Na ja, Pagiel vielleicht noch.«
Ich hatte Mühe, meine ernste Miene zu behalten. Das war richtig süß – ihre felsenfeste Überzeugung, dass von allen mächtigen Feinen hierzulande, die viele erstaunliche Zauber draufhatten, ausgerechnet zwei Teenager am besten auf mich aufpassen konnten.
»Er darf auch nicht mitkommen. Genauso wenig wie sonst jemand, den ich kenne; darum geht es doch. Niemand darf wissen, wo ich bin.«
»Bullshit«, sagte sie. Diese Obszönität bildete einen amüsanten Kontrast zu ihrer ansonsten so vornehmen Erscheinung – komplett in ein fließendes elfenbeinfarbenes Gewand gehüllt und mit blumengeschmückten Haaren. »Woher sollen wir dann wissen, dass es dir gut geht?«
»Das werdet ihr eben nicht wissen, aber wenn wir es schaffen, die Sache geheim zu halten, dann könnt ihr euch zu neunundneunzig Prozent sicher sein, dass ich in Ordnung bin.«
Das gefiel ihr nicht. Kein bisschen. Ich wusste gar nicht, warum Dorian sich ständig Sorgen machte, dass sie mir die Macht streitig machen wollte. Wenn das ihre Absicht gewesen wäre, dann hätte sie sich doch förmlich auf die Gelegenheit stürzen müssen, sich jetzt selbst um das Land kümmern zu dürfen. Stattdessen wollte sie mich unbedingt begleiten.
Aber am Ende konnte ich sie mit denselben Argumenten überzeugen, die ich gerade bei Roland angebracht hatte. Ich glaube, durch den Überfall auf Ansonia fiel es ihr ein bisschen leichter, die Entscheidung zu akzeptieren. Da sie sich mit Pagiel angefreundet hatte, kannte sie auch seine Schwester ganz gut. Jasmine war genauso erbost über den Angriff wie wir anderen alle und wollte vermeiden, dass sich so etwas wiederholte.
»Na gut, ich mach’s«, sagte sie schließlich. »Ich will nicht, aber ich mach’s.«
»Danke. Das bedeutet mir viel.« Ich unterdrückte den Impuls, sie zu umarmen. Da konnten wir uns noch so nahe gekommen sein, großartige Zärtlichkeitsbeweise gehörten noch nicht zum Repertoire unserer schwesterlichen Beziehung.
Sie zuckte mit den Achseln. »Ach, na ja. Halb so wild. Das Schlimmste steht dir noch bevor.«
»Ach so?«
»Ja.« Sie sah mich mitfühlend an. »Ich möchte definitiv nicht an deiner Stelle sein, wenn du das Dorian sagst.«
Kapitel 6
Da waren wir schon zwei. Diese Erkenntnis hatte sich schon die ganze Zeit in mir aufgebaut: Ich würde es ihm sagen müssen. Ansonsten musste eigentlich niemand weiter informiert werden. Ein gut abgepasster Wechsel in die Menschenwelt, und niemand hier würde mich finden können. Anschließend konnte Jasmine sich um die Schadensbegrenzung kümmern und meinen Leuten sagen, dass ich untergetaucht war. Beide Königreiche hatten Truchsesse, die sich um die Alltagsgeschäfte kümmern konnten, und man war daran gewöhnt, dass Jasmine und Shaya während meiner Abwesenheit die Kontrolle übernahmen. Nach dem ersten Schock würden sich alle mit der neuen Situation abfinden.
Aber Dorian? Mit ihm war es etwas ganz anderes. Ganz egal, was in der Vergangenheit zwischen uns schiefgelaufen war, ich konnte auf keinen Fall eine Zeit lang verschwinden, ohne ihn vorzuwarnen.
Trotzdem schob ich es in den darauffolgenden Tagen so lange vor mich her, wie ich konnte. Er hielt sich immer noch im Vogelbeerland auf, und ich drängte ihn nicht weiter dazu, sich langsam mal auf den Heimweg zu machen – was ihm normalerweise hätte verraten müssen, dass irgendwas im Busch war. Stattdessen genoss er unsere gemeinsame Zeit und ließ sich ständig neue absurde Freizeitbeschäftigungen einfallen, gegen die sich das Schießen auf pastellbunte Holztiere geradezu banal ausnahm. Und da Roland sich nicht meldete, ließ es sich umso einfacher aufschieben, Dorian die Neuigkeiten zu unterbreiten. Weil es ja keine Neuigkeiten gab.
Ansonsten hatte Dorian beschlossen, sich über die technischen Einzelheiten von Schwangerschaft und Geburt in der Menschenwelt schlau zu machen. Angesichts meines lückenhaften Wissens in dieser Hinsicht war ich nicht unbedingt die beste Informationsquelle, aber er fand, wenn ich schon die ganze Zeit herumnörgelte, dass ich einen Menschenarzt brauchte, dann musste er wenigstens wissen, warum.
»Was genau machen sie denn bei so einer Vorsorgeuntersuchung?«, fragte er. »Die hast du ja recht regelmäßig.«
Es war ungefähr eine Woche, nachdem ich Roland das letzte Mal
Weitere Kostenlose Bücher