Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
Häuschen geraten bin, als Roland mir erzählt hatte, wo sich sein sicherer Unterschlupf befand. Meine Klischeevorstellungen von Alabama waren sogar noch schlimmer als die von Ohio. Roland hatte mir vor meiner Abreise aus Tucson rasch noch den Kopf geradegerückt.
»Krieg das nicht in den falschen Hals, Eugenie«, hatte er gesagt. »Aber du bist ein ganz schöner Snob.«
»Bin ich gar nicht«, hatte ich dagegengehalten. »Ich bin vielen Dingen gegenüber aufgeschlossen. Und vielen Orten gegenüber.«
Er machte ein spöttisches Gesicht. »Klar doch. Du bist genauso wie die meisten Leute im Westen der USA überzeugt, dass der Rest der Welt unter deiner Würde ist.«
»Das stimmt doch überhaupt nicht! Ich bin bloß … ich bin bloß an bestimmte Sachen gewöhnt. Ich meine, Tucson ist doch viel größer als Huntsville. Ich bin eben an dieses Lebensgefühl der Großstadt gewöhnt, weißt du?«
»Schon klar«, sagte er und musterte mich skeptisch. »Darum wohnst du auch in einer mittelalterlichen Burg ohne Strom und fließend Wasser.«
Was schon irgendwie stimmte; darum hatte ich nichts weiter gesagt.
Einige meiner immer noch vorhandenen Zweifel legten sich, als das Flugzeug in den Sinkflug auf Huntsville ging und unten ein Park voller Kirschbäume zu sehen war, der im Sonnenuntergang glühte wie Gold. Es erstaunte mich ziemlich, dass ich die Bäume überhaupt identifizieren konnte. Wir waren immer noch ziemlich hoch, und im Gegensatz zu den Kirschbäumen des Vogelbeerlands mit ihren ewig rosafarbenen Blüten hatten diese hier ihre Blüten abgeworfen und waren so grün, wie sie nur sein konnten. Trotzdem erkannte ich sofort, was für Bäume das waren, und ihr Anblick tröstete mich. Das hier war nicht das Vogelbeerland – vom Dornenland ganz zu schweigen – , aber durch diese kleine Erinnerung an Zuhause kam ich mir weniger allein vor. Ich war in der Lage, das hier durchzustehen. So schlimm würde es nicht werden.
Am Flughafen wurde ich schon von Candace Reed erwartet, der hiesigen Schamanin, mit der Roland das Ganze vorbereitet hatte. Er musste ihr meine Beschreibung gegeben haben, denn als sie mich erblickte, kam sie strahlend auf mich zugestürzt und umarmte mich, als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen. Sie war ungefähr zehn Jahre älter als ich, mit dunkler Haut und fröhlich funkelnden Augen mit langen Wimpern. Sie trug ausgeblichene Jeans und eine rot karierte Bluse und nahm mich sofort unter ihre Fittiche.
»Nun schau sich das einer an«, rief sie und legte mir eine Hand auf den Bauch. Mir war schon aufgefallen, dass dieses Benehmen für die meisten Leute – ob Menschen oder Feine – anscheinend ganz normal war, und eigentlich befremdete es mich, dass eine Schwangerschaft offenbar zu Grenzverletzungen berechtigte. Bei Candace störte es mich aber irgendwie nicht. »Im wievielten Monat sind Sie jetzt, Kindchen?« Bevor ich auch nur antworten konnte, nahm sie mir meinen kleinen Koffer ab. »Himmel, geben Sie mir den. Wir dürfen Sie in diesem Zustand doch keine Sachen schleppen lassen.«
Der Koffer wog praktisch überhaupt nichts; meine Mutter hatte da nur die allerwichtigsten Sachen hineingeworfen. Irgendetwas sagte mir, dass eine Diskussion darüber, was ich in meinem Zustand konnte, bei Candace von vornherein verloren war.
»Ich habe Charles gesagt, dass er Ihr Zimmer fertig haben soll, wenn wir nach Hause kommen, also war er hoffentlich fleißig«, fuhr sie fort, während wir zu ihrem Wagen gingen. »Sie wissen ja, wie Männer sind. Er würde die ganze Zeit nur vor sich hinträumen, wenn er mich nicht hätte, um ihn auf Trab zu halten. Wollen wir hoffen, dass er nicht auch noch das Abendessen hat anbrennen lassen. Ich habe es aufgesetzt und ihm genau gesagt, was er machen soll, aber wie ich ihn kenne, hat er sich wahrscheinlich ablenken lassen. Von einem Baseballspiel im Fernsehen vielleicht oder von einem Specht hinten im Garten. Bestimmt wartet im Ofen jetzt bloß noch ein Aschehaufen. Ist ein Schmorbraten. Essen Sie so etwas? Sollten Sie jedenfalls. Proteine sind gut für Sie und für das Baby auch. Kartoffeln ebenfalls.«
»Für die Babys«, berichtigte ich sie, als wir beim Auto ankamen. »Ich bekomme Zwillinge.«
»Oh. Ach so!« Diese Enthüllung machte sie für einen Moment sprachlos, und ihr stand reines Staunen ins Gesicht geschrieben, außerdem noch ein leiseres Gefühl, das ich nicht einordnen konnte. »Oh, das ist ja schön.«
Sie verstaute mein Gepäck im Kofferraum, und als
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