Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
Zum Glück hatte er es rechtzeitig bemerkt, nicht auszudenken, was alles hätte passieren können.
Gestern war das Tapsen so laut, dass Melanie dachte, eine Mäusestampede polterte über die Holzdielen. Selbst Oliver sagte, wenn es eine Maus wäre, dann müsse sie Bleistiefel tragen.
Der Dachboden war schmal und der vordere Trakt war vollgestellt mit ihren Umzugskartons. Ständig musste Oliver aufpassen wohin er trat, um nicht zu stolpern und sein Kopf machte unliebsame Bekanntschaft mit den niedrigen Querbalken.
Akribisch und fast auf allen Vieren leuchtete er den Boden mit der Taschenlampe nach Exkrementen ab. Nichts. Kein einziger Scheißhaufen.
Ein paar alte Kartons, die nicht ihm gehörten, schob er beiseite in der Hoffnung dahinter ein Nest voller Mäuse, Ratten, oder sonst etwas zu finden. Licht drang kaum sichtbar hinter einem der Kartons durch einen Spalt im Dach herein. Noch mehr Arbeit, stöhnte Oliver. Aber von Ungeziefer war keine Spur.
„Und hast du etwas gefunden?“ fragte Melanie ihn, als er wieder in der Luke auftauchte und die Dachbodentreppe hinuntersteigen wollte.
„Rein gar nichts. Keine Ratten. Keine Mäuse. Keine Schlangen. Nicht mal Schei… na ja, alles sauber da oben. Aber ich habe eine kaputte Dachschindel entdeckt“, antwortete Oliver.
Plötzlich stach ihm wieder der kleine Schuhkarton ins Auge. Er nahm die Schachtel zur Hand. Er war vergilbt und fusselige Wölkchen stoben von der Oberseite empor. Der Staub von Jahrhunderten, schmunzelte Oliver und öffnete sie. Wie Jim Hawkins, der Long John Silvers Schatz gefu nden hatte, betrachtete Oliver den Inhalt erneut. Es waren lediglich ein paar alte Briefe darin. Etliche Polaroid-Fotos. Kein Gold, keine Diamanten. Aber der Inhalt machte Oliver dennoch neugierig. Er nahm eines der Polaroids zur Hand.
Ein Haus war darauf zu erkennen. Ein Baum. Ein Mann, eine Frau und … Oliver drehte sich abrupt um, als er hinter den Kartons ein Rascheln vernahm.
„Oliver?“
Er hörte Melanie, reagierte aber nicht. Stattdessen duckte er sich tief in den schmutzigen Boden und robbte förmlich zum Ursprung des Geräusches.
Mit einem Ruck schob er die Kartons beiseite. Und zuckte zusammen, als er zu sehen bekam was das Geräusch verursacht hatte.
Ein Skunk stand mit drohend gefletschten Zähnen vor ihm.
Oliver kannte Stinktiere nur aus weiter – und sicherer – Ferne im Zoo von Schönbrunn. Aber so nahe wie dem hier, war er noch keinem gekommen. Oliver traute seinen Augen nicht. Es war, als ob er in der Donau einem weißen Hai begegnen würde.
Das Tier fühlte sich anscheinend bedroht; fauchend stampfte der kleine schwarzweiße Teufel mit den Füßen auf dem Boden auf.
Oliver wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste ja noch nicht einmal wie er sich gegenüber einem Dachs verhalten sollte, geschweige denn einem Skunk. Also starrte er das Tier nur an. Dann lief alles in Sekundenschnelle ab. Das Stinktier warf, nachdem es den ulkig aussehenden Tanz vollendet hatte, mit einer erstaunlichen Akrobatik das Hinterteil vorwärts, zielte mit seinem Anus genau in Olivers Gesicht. Der Skunkarsch war das Letzte, das er von dem Tier zu sehen bekam, bevor ihn ein Sprühregen des bestialisch stinkenden Sekrets traf. Es landete in seinen Augen (und brannte wie die Hölle), den Lippen, Haaren und am Gewand.
Oliver schrie auf, fiel rücklings in den Schmutz und spürte im nächsten Moment einen brennenden Schmerz in seinem Unterschenkel.
Oliver stieß drei seiner besten Flüche lauthals aus. Es war ihm egal, ob Kevin sein Geschimpfe mitanhören konnte. An die Abmachung, keine verbalen Entgleisungen vor dem Jungen loszulassen, dachte er in diesem Moment nun wirklich nicht.
Er hörte Mellis Stimme hinter sich. Sie klang hyst erisch. Dabei war doch er derjenige, der von einem Stinktier angefallen und besudelt worden war. Warum zum Henker schrie dann sie ?
„Gottverdammte Scheiße. Allmächtiger, dieses ve rfluchte Mistvieh soll Glasscherben pissen. Der Blitz soll in seinen gottlosen Arsch fahren. Hurerei verdammte …“ Oliver öffnete seine Schublade mit Verwünschungen, die er nun an den Tag legte.
Melanie war inzwischen die Leiter hinauf geklettert, während Kevin unten wartete und konzentriert lauschte um sich die wichtigsten Worte mit S und A zu merken. Er k icherte.
Melanie rümpfte die Nase, als sie bei ihrem Mann a ngelangt war. Der bestialische Gestank hüllte sie sofort ein. Es war der übelste Geruch, der ihr jemals untergekommen war.
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