Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
Unbeschreiblich abscheulich. Erfolgreich kämpfte sie gegen den Brechreiz an.
„Schatz, ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.
„Klar doch!“, meinte er gereizt. „Bin ja nur blind wie eine Fledermaus und mein beschissenes Bein schmerzt höllisch. Mir scheint die Sonne aus dem Arsch.“ Aber Oliver beruhigte sich wieder. Es machte keinen Sinn, seinen Zorn an Melanie auszulassen. Sie konnte schließlich nichts dafür. „Aber ansonsten bin ich okay. Ein verdammtes Stinktier hat mich soeben angefallen.“
Melanie zwang sich ihren Atem anzuhalten und warf einen Blick auf sein Bein. Es blutete. Das Stinktier dürfte ihn gebissen haben.
„Lass uns nach unten gehen. Und zwar so schnell wie möglich, bevor diese Ausgeburt der Hölle nochmals angreift.“
„Es sitzt hinten in der Ecke. Irgendwie sieht es niedlich aus.“
“Niedlich? Willst du es als Haustier halten? Verdammt, Melli. Ich seh´ nichts. Können wir jetzt bitte hinunter klettern? Womöglich hab ich jetzt Tollwut.“
Sie ging voran und half ihrem Mann die Sprossen hi nunter.
„Leg dich auf die Couch, Oliver. Ich hol Hilfe. Aber vorher ziehen wir dein Gewand aus. Das stinkt ja wide rlich.“ Wen sollte sie anrufen? Die Rettung? Die brauchte sicher zu lange. Den Arzt? Sie hatte keine Ahnung, wie er hieß. Ihr kam ein Gedanke. Ja, er konnte Oliver sicher helfen.
Oliver lag, immer noch blind und mit schmerzendem Bein, in seinen Boxershorts auf dem Sofa. In der Manier eines Matrosen wetterte er seine Schimpftiraden weiter.
„Papa stinkt und blutet. Und er benutzt schlimme Wörter.“ Kevin tat entsetzt, insgeheim freute er sich aber über die neuen Schätze in seinem Schimpfwörterbuch.
„Kevin, lass Papa in Ruhe”, befahl sie ihrem Sohn. An Oliver gewandt sagte sie: „Ich hab Arthur Sallinger anger ufen. Er kommt gleich zu uns. Er weiß sicher was zu tun ist.“
Doch Oliver hörte alles nur noch dumpf, wie aus weiter Ferne. In diesem Moment war ihm egal, wer kommen wü rde, wenn nur endlich das Brennen aus seinen Augen verschwinden würde. Sein Magen rebellierte. Übelkeit übermannte ihn, bis er sich schließlich zur Seite drehte und auf den Teppich kotzte.
„Um Himmels Willen, Schatz. Soll ich den Doktor h olen?“ Ich brauche das Telefonbuch, die gelben Seiten!
Oliver schüttelte den Kopf.
Im nächsten Moment klopfte es an der Tür. Arthur Sallinger stand in der Tür.
„Hallo? Kann ich reinkommen?“
„Ja“, rief Melanie, „kommen Sie. Wir sind hier.“
Sallinger hatte zwar keinen Schimmer, wo das Hier war, aber er folgte einfach Melanies Stimme.
„Hier bin ich.“ Sallinger trug ein kariertes Hemd, eine blaue Latzhose, grüne Gummistiefel. Man hätte meinen können, er wolle ein Haus aufstellen und danach zum Angeln gehen. Aber die Winchester in seiner rechten Hand sagte etwas vollkommen anderes.
„Wie geht es Ihnen, Oliver?“
„Er hat sich soeben übergeben, sieht nichts und hat eine Wunde am Bein. Das Tier hat ihn gebissen. Was zum Teufel hat ein Stinktier hier zu suchen?“ Melanie kniete neben Oliver. Sie klang hysterisch; ihre Augen sprachen Bände. Sie hatte furchtbare Angst um ihren Mann.
Sallinger legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Das mit den Augen gibt sich bald wieder. In etwa zwei Stunden hat er wieder seine volle Sehkraft. Die Übelkeit ist normal. Das Sekret reizt die Schleimhäute. Oder es rührt einfach von dem bestialischen Gestank her. Aber die Wu nde sollten Sie unbedingt von Dr. Kunze ansehen lassen. Diese Biester übertragen oft Tollwut. Und da soll noch einer die Existenz von Luchsen in unseren Wäldern strittig machen.“
„Gut, ich rufe Dr. Kunze an. Soll ich auch gleich einen Kammerjäger holen?“ Sie war nun ruhiger. Sallingers Z uversicht sprang auf sie über.
„Melanie, wozu unnötig Geld ausgeben? Ich mach das schon. Ich hab mein Baby doch nicht umsonst mitgeno mmen.“ Zärtlich tätschelte er sein Gewehr.
Melanie war entsetzt. „Sie wollen mit dem Ding auf das Stinktier schießen?“
„Na erschlagen will ich es auf keinen Fall damit. Ich komm dem Mistvieh nicht zu nahe. Hatte mal eine Begegnung mit einem Fuchs. Das war eine üble Nummer. Keine Angst, ich schieß Ihnen kein Loch ins Dach.“ Der Alte grübelte nach. „Von irgendwoher muss es reingekommen sehen. Ich werd mich oben mal umsehen. Ist vielleicht nur eine kaputte Dachschindel.“
„Ja, Oliver hat eine kaputte Schindel erwähnt.“
In aller Seelenruhe stapfte Sallinger davon.
Die Dachbodenfalltür
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