Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)

Schließlich war es nie leicht, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Und etwas anderes als eine Konfrontation mit dieser Vergangenheit stellte das Treffen nicht dar.
    Zur Ablenkung drehte Sam das Radio auf. Countrymusik trällerte aus den Boxen und er sang lauthals mit, als sich der Chevy auf der Elwood Road immer näher an Flagstaff heranwagte.
    Die Elwood Road war gesäumt von Industriegebäuden, qualmenden Fabrikschloten und Getreidesilos, ehe sie schließlich mitten ins Herz von Flagstaff münden sollte. Sie sah fast genauso aus wie Sam sie in Erinnerung hatte. Hier im Norden Flagstaffs war immer schon Industrie angesiedelt gewesen, aber an den Stellen, wo früher wenigstens noch alle paar Kilometer  Bäume gepflanzt waren, fand man heute nur noch Stein und Metall vor. Wohin man auch schaute, reihte sich ein Firmenkomplex an den nächsten. Hauptsächlich Fabriken zur Verarbeitung von Mais und Getreide; Haferflocken-, Cornflakes-, Müsliproduzenten. Die alte Sägemühle Lumber-Jack-Goldwin , damals ein florierender Betrieb, existierte noch. Zumindest das Gebäude. Dem Schriftzug auf der Mauer nach beherbergte es  jetzt eine Produktionsfirma für landwirtschaftliche Geräte. Bürgermeister Granger hatte damals schon dafür gesorgt, dass Flagstaff wächst und gedeiht. So wie es den Anschein hatte, war ihm das mehr als gelungen.
    Neben den großen Betrieben hatten auch einige kleine Unternehmen hier ihren Standort. Die meisten davon kannte Sam nicht. Sie mussten nach seiner Zeit entstanden sein.
    Mit gemischten Gefühlen betrachtete er die an ihm vorüber ziehende Landschaft. Fremd und doch vertraut; verändert und doch wieder nicht. Er meinte durch eine Brille zu schauen, die ihm gleichzeitig Vergangenheit und Gegenwart offenbarte.
    Umso mehr die Elwood Road sich der Circle Road näherte, desto mehr wich die Industrielandschaft den Wohnhäusern.
    Sam erblickte die ersten Wohnhäuser von Flagstaff und erkannte auf Anhieb, dass die Stadt in den letzten zwanzig Jahren immens gewachsen war. Nicht nur von industrieller Seite her.
    Flagstaffs Entwicklung zu einer größeren Stadt hatte bereits in Sams Kindheit Züge angenommen, doch trotzdem konnte er nicht richtig glauben, dass sie seitdem so einen Riesenschritt gemacht hatte. Schritt war dabei sogar das falsche Wort, es war schon eher ein Sprung.
    Er reduzierte die Geschwindigkeit, da er sich langsam dem Stadtkern näherte und parkte den Caprice kurz vor der Circle Road. Er drehte den Zündschlüssel und das tiefe brummende Tuckern des Motors erstarb. Als Sam seinen Fuß auf den Asphalt setzte wurde ihm bewusst, dass er das letzte Mal vor zwanzig Jahren hier gewesen war. Sam überlegte, ob er den Wagen abschließen sollte und entschied sich dafür. Früher war das nicht üblich gewesen. Die Einwohner Flagstaffs vertrauten einander. Selbst die Wohnungstüren blieben offen, auch bei Nacht. Und es geschah nicht das Geringste. Kein Einbruch und schon gar kein Mord. Doch die Zeiten hatten sich geändert - bestimmt auch in Flagstaff. Betrübt schloss Sam den Wagen ab.
    Die Sonne stand strahlend am Himmel und brannte auf seinen Körper. Sams Meinung nach war es viel zu warm für Mitte Juni. Es fühlte sich an wie ein Tag im Hochsommer. Und wenn das mit den Temperaturen so weiter ginge, überlegte Sam, würden die Bauern wieder mit ihrem Gezeter beginnen, wie sie es schon angesichts der miserablen Maisernte 1991 getan hatten.
    Sam beschloss sich ein wenig in der Stadt umzusehen. Er war neugierig, ob sich hier ebenso viel verändert hatte wie vor den Toren Flagstaffs.

 
     
     
     
     
     
    Kapitel 8
     
    Beim Anblick des Monument Place gegenüber der City Hall umspielte ein Lächeln sein Gesicht.
    Der alte Monument Tree stand immer noch in dem kleinen Park. Es handelte sich um eine alte Eiche, die das Wahrzeichen Flagstaffs darstellte. Der Baum war nicht gerade eine Zierde seiner Art und schon zu Sams Zeiten verdorrt gewesen, aber die Bewohner Flagstaffs pflegten ihn hingebungsvoll. Vor einigen Jahren hatte der Blitz in die Eiche eingeschlagen und ihr sein jetziges kümmerliches Aussehen beschert. Damals musste die Feuerwehr ausrücken, um den Brand zu löschen. Obwohl der Baum eigentlich hässlich anzusehen war, liebten ihn die Leute trotzdem. Er gehörte einfach zu Flagstaff dazu.
    Glaubte man den Legenden und Erzählungen der Altehrwürdigen, kamen einst die Pilgerväter hierher und hissten die damalige Nationalflagge an der Stelle an einem Mast, wo sie kurzerhand als