Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
den Kopf und starrten Sam an. Der Hund hörte sogar auf zu kacken, um die Lefzen zu heben und ihn böse anzuknurren.
Sam tat, als hätte er es nicht bemerkt und wendete den Blick ab.
Hinter Sam hielt ein Mann im schwarzen Anzug, die Aktentasche in seiner Rechten schwang wie ein Uhrpendel, plötzlich mitten im Schritt inne und musterte den Neuankömmling. Auf einmal schien jeder Mensch und jedes Tier, jedes Lebewesen, in Sams Umgebung den Blick auf ihn zu richten. Und obwohl sich ihre Lippen nicht bewegten, konnte er dennoch deutlich die Worte hören: Wir wissen es, Samuel Coleman. Wir wissen, was ihr getan habt. Du und diese Bastarde, die du Freunde nennst.
Das Zwitschern der Vögel um Sam herum wurde leiser, erstarb, ebenso der Autolärm. Jedes Geräusch verebbte, bis unheimliche Stille herrschte. Gänsehaut überströmte Sams Körper, er spürte jedes einzelne Härchen in seinem Nacken sich aufrichten. Türen öffneten sich, Bewohner traten aus den Häusern, versammelten sich auf dem Bürgersteig. Und alle starrten sie ihn an. Voller Hass.
Sam schluckte. Ihm war heiß und kalt zugleich. Schweiß rann ihm aus der Kopfhaut und verfing sich in den Augenbrauen. Druck legte sich auf seinen Brustkorb und machte ihm das Atmen schwer.
Was zum Teufel soll das? Wollen die mich etwa lynchen?
Ja, die Leute erinnerten Sam an die Horde Bauern aus Mary Shelley´s Frankenstein , die das Monster brennen sehen wollen. Lediglich Fackeln und Heugabeln fehlten um ihr Vorhaben wahr zu machen.
Das ist unmöglich, sagte Sam sich. Woher sollen die wissen, was damals geschehen ist? Niemand war dabei, oder doch? Ich habe die Alte mit dem Hund nicht gesehen, oder den Parkarbeiter, oder den Bürokraten, den kenne ich doch nicht einmal.
Noch während Sam Panik überkam und er schleunigst von hier verschwinden wollte, wurde alles um ihn herum wieder laut. Die Vögel sangen wieder, die Automotoren brummten, der Wind säuselte durch das Laub der Bäume, was klang, als würden tausende Nager über Schotter laufen.
Sam blinzelte. Die Menschenmenge war verschwunden, die Leute auf der Strasse gingen ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Niemand schien sonderlich an Sam interessiert.
Der Parkarbeiter schnitt das Unkraut, die Oma sammelte das Häufchen ihres Terriers ein, der fröhlich im Gras buddelte. Nicht einer hatte seinen Blick auf Sam gerichtet.
Das alles war nur Einbildung. Meine verdammte Fantasie geht mit mir durch. Er atmete tief durch. Silberfischchen kreisten vor seinen Augen.
Der Mann im Anzug eilte auf Sam zu. Als er an ihm vorüber schritt, rempelte er ihn unabsichtlich(?) an und entschuldigte sich. Sam sah in sein Gesicht. Es war nicht mehr das des Bankers. Aus dem glatt rasierten, solariumgebräunten Antlitz wurde plötzlich eine verweste Fratze die Sam diabolisch angrinste, ihr fauliges Maul öffnete und ... es war wieder der glatt rasierte Banker. Nervös blickte Sam um sich und stellte fest, dass wohl niemand sonst die gespenstische Verwandlung gesehen hatte.
Verdammt, sind das immer noch die Folgen meines Jetlags? Vielleicht drehe ich auch durch, wer weiß. Am liebsten wäre er losgerannt, hätte sich in den Wagen gesetzt und zurück ins Motel gefahren.
Sam hämmerte gegen seine Schläfen wie er es immer machte um seine Gedanken zu ordnen und ging nach einem prüfenden Blick, der ihm nichts Ungewöhnliches zeigte, weiter Richtung East Road.
Er blieb gut zwanzig Meter vor dem Gebäude stehen, das er bald wieder von innen sehen würde. Ross-Townsend, die gute alte Schule von Flagstaff, ragte wie ein alter Zahn aus dem Boden auf. Der Anblick seiner ehemaligen Schule brachte Sam auf andere Gedanken, weg von lynchenden Meuten und Totenkopfbankern. An die Schule erinnerte er sich gerne zurück. Na ja, vielleicht nicht an alles, aber ganz bestimmt an seinen ehemaligen Englischlehrer Mr. Hershner. Er war mit ein Grund, warum Sam heute Bücher schrieb. Diesem Mann hatte Sam vieles zu verdanken.
Mr. Hershner hatte Sam eines Tages angewiesen nach der Stunde in sein Büro zu kommen. Sam überlegte den ganzen Schultag über, was er wohl zu befürchten hatte und warum er ausgerechnet zu Mr. Hershner musste, da er sich ziemlich sicher war, keinen Unfug angestellt zu haben. Zumindest nicht an diesem Tage. Doch so sehr er auch darüber nachdachte, er konnte es sich nicht erklären.
Mr. Hershner saß hinter seinem Schreibtisch, hatte wie immer seine viereckige Lesebrille auf der Nasenspitze und korrigierte gerade die Hausaufgaben der
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