Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
Kannst du mich abholen?«
»Klar, mit dem größten Vergnügen. Wohnst du immer noch in der ...?«
»Nein, mein Haus liegt in der Chairman Street, das ist gleich ...«
»Neben der East Road, ich weiß. Schon vergessen? Ich bin hier aufgewachsen.«
Casey tippte sich mit den Fingern auf die Stirn. »Wie dumm von mir, natürlich.« Sie kritzelte die genaue Adresse auf seine Serviette und überreichte sie ihm. »Nur zur Sicherheit. Im Alter neigt man zur Vergesslichkeit. Also gut, dann sehen wir uns übermorgen, so gegen Sieben?«
»Ich freu mich schon.«
Sam bezahlte die Nachos, gab ihr ein überaus großzügiges Trinkgeld, das sie zwar zunächst vehement ablehnte, dann aber doch annahm, und reichte Casey die Hand.
»Bis dann, Sam«, sagte sie und gab ihm anstatt eines Händedrucks einen Kuss auf die Wange.
Von diesem Augenblick hatte er seine ganze Jugend lang geträumt. Warum kam dieser Kuss erst jetzt, fragte er sich und bedauerte den pubertierenden Jungen, der er einst gewesen war, ob dieses verpassten Erlebnisses.
Freudig darüber, dass er nun im schlimmsten Fall nicht alleine bei dem Treffen sein würde, verließ Sam die Tankstelle wieder und ging zurück in sein Motelzimmer.
Dabei fiel ihm auf, dass er die Zeit völlig vergessen hatte und, was noch viel schlimmer war, dass er Saskia nicht wie versprochen angerufen hatte. Eigentlich hätte er das erledigen wollen, sobald er gelandet war.
Ein Blick auf die Uhr verriet Sam, dass es bereits fünf Uhr nachmittags war.
Eilig wählte er die Saskias Nummer (durch die internationalen Telefonregeln reihte sich eine unendliche Zahlenreihe aneinander) und wartete auf das Freizeichen.
Es klingelte eine ganze Weile bis Saskia endlich an den Apparat ging.
»Hallo?«, sagte eine verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Hi, Liebling. Ich bin es. Hab ich dich etwa geweckt?« Sam blickte nochmals auf die Uhr und begann zu rechnen. Er hatte die Zeitverschiebung völlig außer Acht gelassen. In Deutschland war es nun bereits nach elf Uhr abends.
»Nein, ich hab nur die Kinder ins Bett gebracht und so wie es aussieht, bin ich an ihren Betten kurz eingenickt. Ich hätte sowieso nicht richtig einschlafen können, weil ich auf deinen Anruf gewartet habe.«
»Tut mir leid, dass ich dich nicht schon früher angerufen habe.«
»Schon in Ordnung, Hauptsache dir geht es gut. Dir geht es doch gut, oder?«
»Ja, ich bin nur hundemüde.«
»Bist du schon in Flagstaff?«
»Mehr oder weniger. Ich bin in einem Motel am Highway nördlich von Flagstaff abgestiegen. Und hier werde ich mich mal bis morgen Früh aufs Ohr legen, ehe ich in die Stadt fahre.« Den Hörer zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt, zog sich Sam Schuhe und Hose aus. Die Luft auf seiner nackten Haut war ein befreiendes Gefühl.
»Wir vermissen dich. Es ist anders, wenn du Lesungen hältst. Dann bist du nicht so weit fort.«
Sie hatte recht, dachte Sam. Bei dem Gespräch mit Casey vorhin schien ihm seine neue Heimat plötzlich so fern, doch jetzt wünschte er sich, wieder in Frankfurt zu sein.
»Hast du schon jemanden getroffen, den du von früher kennst?«
Sam überlegte, ob er Saskia von Casey erzählen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er verstand das nicht als Lüge, nicht im herkömmlichen Sinn. Aber er hatte Casey Saskia gegenüber noch nie erwähnt. Und seine voyeuristischen Ambitionen als Halbstarker wollte Sam seiner Frau nun wirklich nicht offenlegen.
»Nein, noch nicht. Vielleicht kommen auch gar nicht alle. Ich wünschte, ihr wäret jetzt hier bei mir.«
»Das wünsche ich auch. Wann genau kommst du wieder nach Hause?«
Natürlich kannte sie den Tag seiner voraussichtlichen Rückkehr, aber sie wollte das Datum von ihm hören. Wenn er es sagte, war es vielleicht nicht so lange bis dahin.
»In vier Tagen, wahrscheinlich am späten Nachmittag. Holst du mich ab?«
»Da werde ich vermutlich erst von München zurückkommen. Du weißt schon, die Hochzeit.«
»Richtig.« Er zuckte die Schultern und kniff die Lippen zusammen. Auch wenn er enttäuscht war, er konnte nichts daran ändern. Trotzdem wäre er bei seiner Ankunft gerne vom wunderschönen Gesicht seiner Frau begrüßt worden. »Na, macht auch nichts. Ich nehme eben ein Taxi und bereite zuhause alles für einen schönen Abend vor.«, meinte er daraufhin und streckte sich auf dem Bett aus. Seine müden Knochen dankten es ihm, und er musste sich verkneifen wohlig aufzustöhnen. »Was machen die Zwillinge?«
»Sind schon
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