DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
Falten ihres Rockes und zieht ein uralt aussehendes Messer mit einem beinernen Griff heraus. »Es ist ein Werkzeug der Barmherzigkeit«, sagt sie leise. »Nur ein kleiner Schnitt reicht aus, damit die Seele den Körper verlässt – schnell, sicher und schmerzlos. Aber ich verstehe nicht, warum die Äbtissin dir keine gegeben hat.«
»Vielleicht wusste sie, dass in d’Albrets Haushalt niemand Barmherzigkeit verdient.« Gewiss war ihr klar, dass ich kein Interesse daran haben würde, Barmherzigkeit walten zu lassen.
Sie geht für den Moment nicht weiter darauf ein. »Aber Sybella, was ich erfahren habe, ist, dass Er uns nicht wegen der Taten liebt, die wir in Seinem Namen vollbringen – Er liebt uns, weil wir die Seinen sind. Was wir uns zu tun oder nicht zu tun entscheiden, wie wir entscheiden, Ihm zu dienen oder nicht zu dienen, das wird niemals etwas an dieser Liebe ändern.«
»Das hat er dir gesagt?«
»Nicht mit Worten, wie du und ich sie sprechen, aber ich habe es gespürt. Ich habe Seine Gnade und Seine Liebe gespürt, wie sie mich umschlangen wie ein Fluss, und das hat die Unwissenheit aus meinen Augen genommen.«
»Ganz ähnlich wie die Tränen Mortains uns erlauben, Seinen Willen besser zu sehen.«
»Genauso. Nur hundert Mal mehr.«
Ich greife nach ihrem Arm. »Also haben wir uns die ganze Zeit geirrt? Wir begehen einen Mord, wenn wir töten, wo wir Sein Mal sehen?«
»Wir haben uns nicht direkt geirrt«, erwidert sie langsam. »Aber ich würde stattdessen sagen, dass es nicht von uns verlangt wird. Jene, die den Tod verdienen, tragen alle ein Mal, ob sie nun durch unsere Hände oder durch irgendwelche anderen Mittel sterben sollen.«
»Woher weißt du das?« Habe ich all diese Zeit Menschen getötet und dabei gedacht, ich vollstreckte Seinen Willen, obwohl ich tatsächlich meinem eigenen, dunklen Impuls gefolgt bin?
»Nachdem wir bei Nantes angegriffen worden waren, bin ich auf das Schlachtfeld zurückgekehrt, um unter den Gefallenen nach Überlebenden zu suchen.«
»Es gab keine«, murmele ich mit gepresster Stimme. »D’Albret hinterlässt keine Überlebenden.«
»Nein, aber jeder Einzelne der sterbenden Soldaten trug irgendeine Form von Mortains Mal. Und die Männer, bei denen ich das Mal gesehen habe, als ich ein Kind war – keiner von ihnen wurde durch die Hand eines anderen getötet. Ich glaube, das Mal erscheint, wenn der Tod eines Menschen in Sicht ist, und das schließt einen Tod durch unsere Hände ein. Der Fehler, von dem ich denke, dass das Kloster ihn gemacht hat, dreht sich um die Natur dieser Male. Sie sind lediglich Zeichen dessen, was geschehen wird, keine Befehle zu handeln.«
»Weiß die Äbtissin das?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortet Ismae bedächtig. »Ich kann es nicht sagen. Obwohl sie überaus wütend war, als ich ihr gegenüber diese Idee angesprochen habe. Jetzt schlaf. Es wird schon bald Morgen sein.« Sie tritt ans Bett, beugt sich vor und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Alles, was ich dir über Mortain erzählt habe, ist wahr. Zweifle nicht daran.« Und dann ist sie fort, und ich bleibe allein zurück, mit einer Welt, die auf den Kopf gestellt worden ist.
Neunundzwanzig
S ELBST MIT DEM T RANK , den Ismae zubereitet hat, ist mein Schlaf unruhig und rastlos. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, all das zu verarbeiten, was sie mir gerade erzählt hat, mein Geist kämpft sich durch all die Informationen, um die Welt neu zu begreifen – und meine Rolle darin.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr glaube, denn Ismae hat schon immer dazu geneigt, Mortain und das Kloster im bestmöglichen Licht zu sehen. Trotzdem, sie hat mir viel zum Grübeln gegeben.
Als ich erwache, fühlt mein Kopf sich an, als würde er platzen, und ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass jemand anklopft. Ich kämpfe mich aus den zerwühlten Decken frei, stehe auf und stolpere zur Tür. Ich öffne sie einen Zoll weit und spähe hinaus. Ein livrierter Page wartet. Zu seinen Gunsten sei gesagt, dass sein Blick meine zerzauste Erscheinung nur ganz kurz streift, bevor er zu meinem Gesicht zurückkehrt und dort verbleibt. »Die Herzogin lädt Euch höflich ein, Euch in ihrem Wintergarten einzufinden, sobald es Euch beliebt, Demoiselle.«
»Sehr schön. Richte Ihrer Hoheit aus, dass ich in Kürze dort sein werde.«
Der Page macht eine forsche Verbeugung. Bevor er davonspringen kann, bitte ich ihn, mir eine Dienerin zu schicken, die mir aufwarten kann.
Die Einladung hat die
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