DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
bloß fühlen. Ich habe wahrlich alle Mühe, nicht auf die Füße zu springen und aus dem Raum zu rennen, während aller Augen sich auf mich richten. Ist das ein neues Glitzern der Vorsicht, das ich in Hauptmann Dunois’ Gesicht sehe? Ein schwacher Ausdruck des Abscheus bei Kanzler Montauban? Der Bischof wirkt lediglich empört, als hätte jemand seine behütete, wohlgeordnete Welt in Unordnung gebracht, einfach um ihm eins auszuwischen. Chalons Gesicht ist ebenfalls interessant, denn es ist maskenhaft verschlossen, und es ist klar, dass seine Aufmerksamkeit geschärft ist.
Aber es ist der Blick der Bestie, der sich am meisten wie ein Schlag anfühlt.
Schau nicht hin, schau nicht hin, schau nicht hin. Wenn ich nicht hinschaue, werde ich den Abscheu und die Verachtung nicht sehen, die jetzt von ihm ausgehen werden wie Dampf von einem kochenden Kessel.
Und Ismae. Was empfindet sie in diesem Moment? Denn sie kenne ich am längsten und niemals habe ich ein Wort über meine Abstammung verloren. Ich starre vor mich hin und klopfe mit dem Fuß auf den Boden, als sei ich gelangweilt.
Die Erste, die spricht, ist Ismae. »Entschuldigt mich, ehrwürdige Mutter, aber Sybella ist doch Mortains Tochter und nicht d’Albrets.«
Ich habe alle Mühe, nicht von meinem Stuhl aufzuspringen und sie zu umarmen.
»Aber natürlich, Kind. Sie wurde von Mortain gezeugt, deshalb dient sie dem Kloster. Aber sie wurde während der ersten vierzehn Jahre ihres Lebens von d’Albret in seinem Haushalt großgezogen. D’Albret erachtet sie gewiss als seine Tochter.«
Duval rutscht auf seinem Stuhl umher und sendet der Äbtissin einen undeutbaren Blick. Das ist der Moment, in dem mir klar wird, dass er ihr nicht traut. »Ich würde meinen, die wichtigere Frage ist die, als wessen Tochter Sybella sich selbst betrachtet. Gnädiges Fräulein?«
Ich schaue auf und sehe in seine freundlichen grauen Augen. Er gibt mir eine Chance, auf diese Anklage zu antworten, und ich beginne zu begreifen, warum Ismae ihn so gernhat. »Der glücklichste Moment meines Lebens war der, als ich erfuhr, dass ich nicht von d’Albret gezeugt worden bin, gnädiger Herr. Denn so dunkel Mortain auch ist, Er ist ein leuchtender Strahl heiligen Lichtes verglichen mit dem Grafen. Also ja, ich betrachte mich als Mortains Tochter.«
Die Bestie rutscht auf dem Stuhl herum, und alles in mir schreit danach, dass ich nicht solch ein Feigling sein und ihn ansehen soll. Aber ich tue es immer noch nicht, davon überzeugt, dass das, was ich sehen werde, selbst mein hartes, eingeschrumpftes Herz brechen wird.
»Dann ist die Angelegenheit geklärt«, sagt die Herzogin. »Und mir scheint, dass wir gut daran tun, alles, was Demoiselle Sybella sagt, in unsere Pläne miteinzubeziehen.«
Hauptmann Dunois streicht sich übers Kinn und nickt langsam zustimmend. »Das scheint mir klug zu sein.«
»Es kann nicht schaden«, räumt der Kanzler ein.
Aber dem Bischof widerstrebt das Ganze immer noch. »Ich fürchte, es wird unsere Energie von dringlicheren Belangen ablenken und unsere Ressourcen unnötig schmälern.«
»Trotzdem«, sagt die Herzogin. »Wir werden so handeln, als sei jedes Wort, das sie spricht, die Wahrheit.« Sie dreht sich von dem Bischof zu mir. »Verratet mir, Demoiselle, habt Ihr irgendwelche Vorschläge für uns?«
»Wir haben eine Verlöbnis-Vereinbarung mit dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs geschlossen«, fügt Duval hinzu. »Wir könnten das öffentlich machen, wenn Ihr denkt, dass es d’Albret auch nur im Mindesten abhalten wird. Aber wenn wir die Vereinbarung ankündigen, werden die Franzosen das als einen Vorwand betrachten, mit all ihren Kräften über uns herzufallen.«
Ich schüttele den Kopf. »Ich fürchte, dass diese Neuigkeit d’Albret nur dazu bringen würde, seinen nächsten Schritt schneller zu tun – schneller, als wir es für möglich halten –, um die Heirat zu verhindern. Aber ich stimme vollauf zu, dass die Herzogin erst sicher sein wird, sobald sie verheiratet ist. Ihr müsst einen Weg finden, diese Ehe so bald wie möglich zu schließen.«
Duval lächelt schief. »Das wird schwierig sein, da der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs in Ungarn kämpft.«
Ohne Truppen, ohne einen starken Ehemann an ihrer Seite ist sie verloren.
»Demoiselle.«
Beim Klang der sanften Stimme der Herzogin hebe ich den Kopf, um ihr in die Augen zu schauen. »Ihr wirkt vollkommen erschöpft. Ich möchte, dass Ihr geht und Euch ausruht, damit wir morgen
Weitere Kostenlose Bücher