Dark Village 02 - Dreht euch nicht um
werden würde – war Lucas mit dem Auto unterwegs.
Auf dem Beifahrersitz stand eine Tasche mit Pillen, der Hälfte seines Vorrats. Eine Hand lag darauf, die andere hatte er am Lenkrad.
Auf P4 sang Damon Albarn gerade: It’s so hard to live, and so to survive. Lucas rümpfte die Nase. Was wusste so ein verwöhn ter Popstar schon vom Leben? Oder vom Tod?
Er machte einen Abstecher ins Büro, um den Schlüssel zu holen, den er in seinem Schreibtisch aufbewahrte. Die Tasche im Wagen zu lassen, erschien ihm zu riskant, also nahm er sie mit. Dann ging er zum Aufzug und fuhr in den zweiten Stock.
Als er das Büro betrat, das sie zusammen gemietet hatten, stand sie über den großen Drucker gebeugt und füllte Papier nach. Sie warf einen Blick über die Schulter. „Ach, hallo, du bist es. Wie schön!“ Sie lächelte ihm zu, bevor sie sich wieder um drehte.
Lucas stellte die Tasche ab und schlich auf Zehenspitzen zu ihr. Eigentlich hatten sie eine Abmachung, eine ganz einfache: niemals im Büro. Abgesehen davon konnten sie es überall und jederzeit treiben, aber nie und nimmer im Büro, da wird gear beitet und sonst nichts.
Das war an sich eine gute Regel, nur nicht gerade jetzt. Sie hatten sich in den letzten drei Tagen kaum gesehen – sie war unterwegs gewesen, und er hatte alle Hände voll zu tun gehabt, um Käufer und Lieferanten zu beruhigen und gleichzeitig die Aufteilung des Lagers zu planen.
Er legte ihr die Hand auf den Rücken und streichelte sie vor sichtig.
Erst lachte sie. Aber als er seine Hand unter ihr T-Shirt schob und sie begriff, dass er es ernst meinte, bekam sie schlagartig selbst Lust, und sie flüsterte: „Bist du verrückt?“
„Ja“, hauchte er in ihren Nacken, „nach dir.“ Seine Hand wan derte höher.
„Du“, seufzte sie. Aber sie sträubte sich nicht, ganz im Ge genteil. „Komm mit“, sagte sie. „Aufs Klo!“ Sie zog ihn durch den Raum in einen kleinen Flur und weiter in die Toilette. Sie machte Licht. Er schloss die Tür ab. Sie bückte sich übers Waschbecken. „Mach schnell!“
7
Nick wartete hinter der Schule auf sie. „Hey, hast du kurz Zeit?“, fragte er.
„Ja.“ Sie blieb vor ihm stehen. „Was gibt’s?“
„Können wir reden?“
Nora blickte sich um. Sie standen links neben dem Eingang zum Schulhof. Ein Strom von Leuten zog an ihnen vorbei. Aber niemand beachtete sie.
Und wenn Benedicte uns sieht? , dachte sie.
„H-hier?“, stotterte sie. „Jetzt gleich?“
„Nein“, erwiderte er zögernd. Er warf einen Blick auf die Menge, die durch das Tor drängte. „Vielleicht … heute Abend?“
„Okay.“ Nora nickte.
Er hatte die Jacke ausgezogen, darunter trug er ein verwa schenes graues T-Shirt. Er konnte kaum still stehen, wirkte rast los und angespannt.
„Du“, sagte er.
„Ja?“
„Nora …“ Er machte einen Schritt auf sie zu, streckte die Hand aus und berührte vorsichtig ihren nackten Oberarm. Sie zitterte und spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Sie zwang sich, ihn anzusehen.
Ein paar Strähnen seiner dunklen, verwuschelten Haare hin gen ihm in die Stirn, bis zu den tief liegenden braunen Augen. Seine Lippen waren rot und feucht.
„Ich liebe dich“, flüsterte er.
Ihre Knie wurden weich. Sie hätte sich gern irgendwo abge stützt, aber der Zaun war einen Meter zu weit weg.
„Oh.“
„Bitte, gib mir noch eine Chance“, flehte er sie an. „Nur diese eine Chance.“
„Hmm.“
„Ich werde dir die Wahrheit erzählen.“ Seine Stimme war tonlos. „Über mich und Synnøve Viksveen. Ich schwöre es, Nora. Aber bitte weis mich nicht ab.“
Und an diesem Abend tat er es. Er hielt sein Versprechen, er erzählte ihr alles. Fast alles.
8
Lucas sank keuchend auf ihrem Rücken zusammen.
„Gott, war das gut“, stöhnte er.
„Mhm“, machte sie.
„War es für dich auch schön?“, fragte er.
„Ja, schon“, antwortete sie.
„Also nicht?“
„Es war okay.“
„Nur okay?“
„Ach komm, Lucas! Eine schnelle Nummer auf dem Klo! Was willst du denn von mir hören? Es hat mir gefallen, aber ich kriege einen Krampf, wenn ich noch länger so gebückt stehe.“
„Entschuldige“, murmelte er und richtete sich auf.
„Wir können uns heute Abend im Hotel treffen“, sagte Sonia.
„Pssst“, machte Lucas plötzlich. Er hatte eine Stimme auf dem Flur vernommen.
„MAMA?“
„Das ist deine Tochter!“
„Vilde?“
„Ja!“
„Halloo? Ist hier niemand?“
Sie hörten leichte Schritte nebenan im Büro.
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