Dark Village - Das Böse vergisst nie
fragte sich, wie es wäre, mit ihr zu reden, zu lachen und sie zu küssen.
Irgendwann schob er den Gedanken zur Seite. Er versuchte es jedenfalls. Er konnte ja doch keine Freundin haben. Es hatte keinen Sinn, darüber nachzudenken, das würde alles nur noch schlimmer machen.
In der Pause blieb er allein. Niemand kam auf ihn zu und sprach ihn an. Er verhielt sich allerdings auch nicht beson ders entgegenkommend. Jedes Mal wenn er jemandem aus der Klasse begegnete, wandte er sich ab. Nichts wie weg von diesem Lächeln, vom Tratsch, der jeden Moment losbrechen konnte, und vom Spott, der mit Sicherheit in ihnen allen steckte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es anfangen würde.
Er wollte abhauen, aber genau das konnte er nicht. Nie, nie wieder. Er war gefangen. Lost.
Verdammt – er war verloren.
8
Vilde fragte die anderen nicht, ob sie mitkommen wollten. Sie sagte niemandem etwas. Sie würden ihr sowieso vorhalten, dass sie sich verrannt hätte und sich mal ein bisschen entspannen sollte. Immer behaupteten sie, dass sie übers Ziel hinausschie ßen würde. Vielleicht hatten sie ja recht.
Und wenn schon , dachte Vilde.
Sie hatte bereits gestern Abend gewusst, dass sie was tun musste. Sie konnte es nicht einfach auf sich beruhen lassen. Ir gendwie hatte es ihr einen Stich versetzt. Dieser Anblick, als die Viksveen sich den Slip und den BH übergestreift hatte … Vilde musste mehr darüber wissen. Mehr sehen!
Eine bittersüße Eifersucht gemischt mit unstillbarer Neugier trieb sie an.
Nach dem Essen erledigte sie schnell ihre Hausaufgaben, nahm sich eine frische Schachtel Zigaretten aus der Geheim schublade unter dem Bett, zog sich die Jacke über und lief nach draußen. Erst wollte sie zu Fuß los, aber dann überlegte sie es sich anders und rannte zum Haus zurück. Sie holte ihr Fahrrad, um schneller voranzukommen.
Kräftig trat sie in die Pedale.
Sie sprühte vor Energie.
So war es oft, wenn was passierte, wenn Spannung in der Luft lag. Sie liebte es, wenn der Puls in den Schläfen pochte.
Sie wusste nicht, was sie mehr hoffte – Viksveens heimlichen Liebhaber zu enttarnen oder sie ganz nackt zu sehen.
9
Sie wusste genau, dass sie das Poster irgendwo hatte. Aber wo?
Nora streckte den Rücken und stöhnte. Es gab nur noch eine Stelle, wo sie suchen konnte, und sie hatte eigentlich keine Lust, da unten im Kleiderschrank, in dem Haufen mit geheimen Zeit schriften und allem möglichen anderen Zeug, nachzugucken. Für den Fall, dass ihre Mutter einen Blick riskierte, hatte sie ein paar alte Jeans und ein rotes hässliches T-Shirt drübergelegt.
Nora schloss die Tür ab und räumte die Hosen und das T-Shirt zur Seite. Dann griff sie sich den Papierhaufen und ließ alles auf den Boden fallen.
Ein Blatt stach ihr sofort ins Auge. Es schwebte für einen klei nen Augenblick durch die Luft, bevor es nach unten flatterte. Von der Seite, die nach oben zeigte, prangte er ihr unüberseh bar entgegen: der Größte der Welt. Es war ein Ausdruck aus dem Internet.
Benedicte hatte danach gegoogelt. Zusammen mit Nora. Sie hatten nach „giant penis“ und „huge dick“ gesucht und das krasseste Ergebnis lag jetzt vor ihr. Vielmehr, es baumelte auf dem Boden wie eine schlappe Salami.
Das ganze Ding?!? Nora schauderte. Sie drehte das Blatt herum, aber das reichte nicht. Moby Dick brannte durch das Papier. Sie faltete das Blatt zusammen und steckte es ganz tief in den Haufen. Dann räusperte sie sich und begann, den Stapel zu durchforsten.
Nach ein paar weiteren saftigen Pornoschocks und dem ein oder anderen süßen Wiedersehen mit alten Gedichten und gro ßen rosafarbenen Herzen fand sie es.
Das Riesenposter von Orlando Bloom.
Vorsichtig faltete sie es auseinander. Bis auf ein paar Kle bestreifen in den Ecken war es noch heil, keine gravierenden Schäden. Sie legte es aufs Bett, machte einen Schritt zurück und betrachtete es.
Ja. Er sah ihm ähnlich. Sogar ziemlich.
Sie freute sich. Wärme stieg in ihr auf, aber nicht diese pein liche Wärme, wie wenn sie rot wurde. Es war ein gutes Gefühl, angenehm. So könnte es sich von ihr aus immer anfühlen.
Am liebsten hätte sie das Poster aufgehängt. Vielleicht an die Decke über dem Bett, sodass sie es abends und gleich nach dem Aufwachen ansehen konnte. Aber das ging nicht. Sie traute sich nicht.
Vilde, Trine und Benedicte waren oft bei ihr. Sie würden sie zu Tode piesacken.
Auf dem Schreibtisch klingelte ihr Handy. Sie griff danach und klappte es mit dem
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