Dark Village - Das Böse vergisst nie
setzte sich an den Tisch, nahm sich mit den Fingern ein Steak und ließ es auf den Teller fallen. Das Fett spritzte. Sie lächelte Benedicte an. „Komm. Wir haben jede Menge leckere Sachen.“
Sie aßen schweigend.
Benedicte machte das Radio an, um die Kaugeräusche zu übertönen. Außerdem pfiff es bei jedem Atemzug irgendwo im Brustkorb ihrer Mutter.
Anschließend verschwand Benedicte in ihrem Zimmer: Sie stellte ihre Schultasche neben den Schreibtisch, schaltete den Computer an, checkte ihre E-Mails – nichts – und dann ging sie auf sweetest.com und überflog die Top 50.
Sie war auf Platz 44 gefallen …
Das nervte. Warum bekamen die blöden Tussen, die oben ohne oder fast nackt posierten, immer die meisten Stimmen?!? Sie loggte sich in ihr Profil ein.
Es gab nur eine neue Nachricht. Sie las sie ein Mal – und dann noch einmal.
Wow.
Ihr Blick wanderte vom Bildschirm zum Fenster. Sie starrte hinaus, bis die Welt unscharf wurde, dann kam sie mit einem Ruck zurück in die Wirklichkeit und guckte wieder auf den Bildschirm.
Die Nachricht kam von
Wolfman,
der ihr neulich geschrieben hatte:
Du bist das schönste Mädchen hier. Schade, dass du dich nicht traust, mehr zu zeigen.
Diesmal war die Nachricht noch kürzer, noch direkter. Noch verlockender.
Eigentlich wollte Benedicte ein bisschen raus, vielleicht in den Park, um nach den Typen aus der Oberstufe Ausschau zu halten – sie brauchte mal eine Pause von Vilde, Trine und Nora. Aber diese Mitteilung lenkte sie ab.
Sollte sie …? Warum nicht? Andere machten es, ohne mit der Wimper zu zucken, und stellten die Fotos sogar ins Netz.
Dann konnte sie es ja wohl auch tun. Die Bilder waren schließlich nur für eine einzige Person bestimmt. So schlimm war das doch nicht?
Ihr Mund war ganz trocken. Sie schluckte und merkte, dass ihre Finger zitterten. Ihr Atem ging flach und stoßweise. Sie starrte auf den Monitor, bis sie nichts anderes mehr sah als diese neue Mitteilung, bis sie blinkte und lachte und in ihrem Kopf lebendig wurde:
Ich zahle gut für Nacktfotos.
Wolfman.
4
Trine rief nicht an. Sie schickte auch keine SMS.
Vilde wusste, dass Trine beim Training war, aber sie hatte gedacht, sie könnten sich vielleicht danach sehen. Sie war absichtlich nicht zugucken gegangen. Das hatte sie ja früher auch nie gemacht, am Ende fiel es noch auf, wenn sie jetzt plötzlich damit anfing.
Aber Trine hätte ihr doch wenigstens simsen können!
Vilde fühlte sich unsicher und rastlos. Sie streifte sich die Lederjacke über und lief nach draußen. Es war warm, obwohl der Abend schon hereingebrochen war und es bald Herbst werden würde. Sie schwitzte in der Lederjacke und zog sie aus.
Sie wusste nicht, wohin sie sollte, darüber hatte sie nicht nachgedacht. Sie hatte immer im selben Haus gewohnt, in derselben Straße, im selben Viertel. Sie kannte hier jedes kleinste Detail und wusste über alles bestens Bescheid.
Aber plötzlich fühlte sie sich fremd. Irgendwas hatte sich verändert. Nein, alles hatte sich verändert. Sie fand keine Ruhe. Der Asphalt war hart und jeder Schritt fiel ihr schwer.
Kurz überlegte sie, ob sie ins Einkaufszentrum gehen sollte, aber eigentlich hatte sie keine Lust. Sie war traurig und lief zurück. Unterwegs begegnete sie Nora auf dem Fahrrad.
„Muss in den Buchladen!“, rief Nora ihr zu und winkte im Vorbeifahren.
Vilde war froh, dass sie nicht angehalten hatte, um sich zu unterhalten.
Als sie nach Hause kam, setzte sie sich ins Wohnzimmer und blätterte in einer Zeitschrift. Es dauerte eine Weile, bis sie merkte, dass es eine alte Ausgabe war. Ihre Mutter war erst gestern von ihrer Geschäftsreise zurückgekommen, musste aber heute schon wieder lange arbeiten.
Charlene half Yngve bei den Englischhausaufgaben.
You’ve gotta learn this, if you want to come visit me, Ingvi. Texan girls aren’t big on Norwegian.
Vilde hatte das Handy in der Tasche. Kein Lebenszeichen von Trine. Aber ihre Mutter rief an. Es würde später werden als erwartet. Viel zu tun.
Und das sollen wir dir jetzt glauben?,
dachte Vilde.
„Ich sehe euch morgen früh“, sagte ihre Mutter.
Ygnve ging widerwillig ins Bett. Charlene machte den Fernseher an. Sie zappte durch die Kanäle und blieb bei einer Wiederholung von „Friends“ hängen. Brad Pitt spielte in der Folge mit.
It’s like you’re always stuck in second gear. When it hasn’t been your day, your month or even your year.
„You seen this one, Wilde?“
„Nein. Interessiert mich
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